Süddeutsche Zeitung

"Venom - Let There Be Carnage" im Kino:Ich bin ein Symbiont, Madame

Lesezeit: 2 min

Das Doppelwesen, das Tom Hardys Körper bewohnt, erlebt in "Venom - Let There Be Carnage" neue blutige Abenteuer.

Von Fritz Göttler

Haustierfilme sind ein eigenes kleines Genre der Kinogeschichte, da geht's um die lieben Gefährten, mit ihrer Zutraulichkeit und Treue und ihren netten nervigen Macken, von Lassie bis Schweinchen Babe. Eine eigene Version aus der Marvel-Welt liefert das Gespann Eddie Brock und Venom, von dem nun ein zweiter Teil in die Kinos kommt.

Eddie ist ein investigativer Journalist, wie er leibt und lebt, das heißt, er hat einen Vieltagebart, zischt schneidig auf seinem Motorrad los auf der Jagd nach Geschichten, aber mit seiner Freundin (Michelle Williams) hat er es vermasselt. Dementsprechend sieht sein Apartment aus, in dem auch ein paar Hühner unterwegs sind, Futter für Venom, seinen Mitbewohner der besonderen Art. Venom ist außerirdisch, versehentlich von einer Weltall-Expedition eingeschleppt, er hat sich Eddie für eine Symbiose erwählt - jetzt teilen die beiden Eddies Körper. Wir sind family, heißt es manchmal demonstrativ. Wer der Wirt in dieser Beziehung ist und wer der Symbiont, darüber wird heftig gestritten, und Venom, der alles und jeden am liebsten fressen würde, hält nicht sehr viel von Eddie: Du bist ein loser. Und trennt sich manchmal von diesem Versagerkörper.

Venoms Gewaltausbrüche sind rüpelhaft und durchaus sehr komisch

Ein gemeinsamer Körper ist natürlich spontanen, sekundenschnellen Verwandlungen ausgesetzt, je nach Stimmung dominiert Venom und zeigt sich als Monster mit riesigen Zähnen und rüpelhaften, durchaus auch sehr komischen Gewaltausbrüchen. In den anderen Momenten sieht das Wesen aus wie Tom Hardy, der im Kino schon Mad Max und Batmans Gegenspieler Bane verkörperte und im Fernsehen Al Capone, und der eine Zeitlang auch zu denen zählte, die als Bond-Nachfolger im Gespräch waren.

Venom ist ein Newcomer in der Marvel-Kinowelt, er tauchte in einem "Spider-Man"-Film erstmals auf, und man muss mit ihm eine ganz andere Richtung einschlagen, die Grundlage der Superhelden-Existenz noch einmal reflektieren, die Frage, wer Clark Kent und Bruce Wayne eigentlich wirklich sind. Was spielt sich ab in ihrem Innern, bei ihren Transformationen zu Superman oder Batman. Die Verwandlungen in "Venom" sind so dynamisch, wie man sie sonst nur in den Filmen von Georges Méliès erlebt hat, zu Stummfilmzeiten, oder im Zeichentrick, in den "Looney Tunes" der Fünfzigerjahre mit ihren aberwitzigen Verrenkungen. Das Kino zeigt uns, ganz existentialphilosophisch, dass es nichts Festes und Eigentliches und Identisches gibt, dass alles in Bewegung ist und jede Persönlichkeit gespalten. Für "Venom 2" wurde, durchaus sinnvoll, Andy Serkis als Regisseur verpflichtet, der mit einer massiven Persönlichkeitsspaltung zum Star wurde, als Gollum in der "Herr der Ringe"-Saga.

Im zweiten Film kriegt Venom nun eine Art Blutsbruder, der Carnage heißt und einen Serienkiller als Wirt hat, gespielt von Woody Harrelson, und wirklich scheußlich auf Gemetzel versessen ist. Ein Predator. Ein Underdog, verzweifelt, unterdrückt, deklassiert, der endlich aus sich und seinem Elend heraus muss.

Venom - Let There Be Carnage , 2021 - Regie: Andy Serkis. Buch: Kelly Marcel. Kamera: Robert Richardson. Schnitt: Mariann Brandon, Stan Salfas. Musik: Marco Beltrami. Mit: Tom Hardy, Woody Harrelson, Michelle Williams, Naomie Harris, Reid Scott, Stephen Graham, Peggy Lu. Sony, 97 Minuten. Kinostart: 21. 10. 2021.

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