Bilderbuch:Käfer im Getriebe

Bilderbuch: Der kleine Holzroboter ist ein klassisches Wunschkind, besteht aber - weniger klassisch - aus Holz.

Der kleine Holzroboter ist ein klassisches Wunschkind, besteht aber - weniger klassisch - aus Holz.

(Foto: Tom Gauld/Moritz Verlag)

Der Cartoonist Tom Gauld hat sein erstes Kinderbuch geschrieben: "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin" ist ein Märchen - aber ein besonderes.

Von Martina Knoben

Es waren einmal . . . ein Holzroboter und eine Baumstumpfprinzessin?! Der Titel von Tom Gaulds Bilderbuch mutet seltsam an, und seine Erzählung erfüllt, was der Titel verspricht: Da wünschen sich ein König und eine Königin ein Kind und bitten, als das nicht klappt, die königliche Erfinderin und eine schlaue alte Hexe um Hilfe. Die beiden bescheren dem Paar ein technisches Meisterwerk, den kleinen Holzroboter, und ein wunderbares Stück Zauberkunst, die kleine Baumstumpfprinzessin. "Eltern" und "Kinder" lieben sich, und die Geschichte könnte damit zu Ende sein.

Wenn sich die kleine Baumstumpfprinzessin nicht jede Nacht zurück in einen Holzklotz verwandeln würde (Eltern wissen, dass solche Verwandlungen auch ohne Hexenkunst passieren). Jeden Tag weckt der kleine Roboter seine Schwester mit einem Zauberspruch, eines Tages aber - sonst wäre das Ganze ja keine Geschichte und erst recht kein Märchen - geht das schief. Weshalb die Prinzessin als Holzklotz erst auf einer Schubkarre, dann auf einem Schiff und schließlich auf einem Stapel mit Tausenden von Holzklötzen im eisigen Norden landet. Man weiß ja, wozu Holz gerade in diesen Zeiten der Energiekrise benutzt wird, das Ganze könnte also ein böses Ende nehmen. Glücklicherweise aber ist ihr Roboterbruder der Prinzessin gefolgt.

In vielen der holzschnittartigen Bilder wimmelt es nur so vor Details

Tom Gauld ist für seine lakonisch-pointierten Zeitungscartoons im Guardian oder in der New York Times bekannt; er hat mehrere Graphic Novels veröffentlicht ("You're All Just Jealous of My Jetpack", "Mooncop") und für das Wochenmagazin The New Yorker fantastische Cover gestaltet. "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpf-Prinzessin" ist sein erstes Kinderbuch - eine (fast) klassische Abenteuergeschichte mit (fast) klassischen Märchenelementen. Aber Tom Gauld wäre nicht Tom Gauld, wenn das Ganze nicht äußerst eigenwillig wäre. Die Kombination von Standardmärchenmotiven mit ziemlich schrulligen Einfällen macht dieses Bilderbuch erst so reizvoll.

Und es ist wunderschön gezeichnet. Gauld mischt Comicelemente mit einem sehr eleganten holzschnittartigen Stil. In vielen Bildern wimmelt es nur so vor Details. Allein die Kammern der königlichen Erfinderin und der schlauen alten Hexe sind so voller Handwerkszeug bzw. magischen Dingen, dass man immer wieder Neues entdecken kann: Ringelt sich da nicht eine Schlange um den Dachbalken des Hexenzimmers? Und wofür die Zahnradkonstruktion in der Werkstatt der Erfinderin wohl gedacht ist? Gut, dass die Bilder einen Rahmen haben, das gibt der Fülle Struktur.

Bilderbuch: Tom Gauld: Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin. Aus dem Englischen von Jörg Mühle. Moritz Verlag, Frankfurt a.M., 2022. 40 Seiten, 18 Euro. Ab 4 Jahren.

Tom Gauld: Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin. Aus dem Englischen von Jörg Mühle. Moritz Verlag, Frankfurt a.M., 2022. 40 Seiten, 18 Euro. Ab 4 Jahren.

(Foto: Moritz Verlag)

Der charmanteste Kniff des Buches sind diejenigen Abenteuer der Geschwister, die nicht auf zig Seiten ausgebreitet, sondern nur in je einem Panel kurz skizziert werden. Sie sind in Text und Zeichnung allerdings so prägnant, dass man die Geschichte gleich vor Augen hat: die vom einsamen Bären etwa oder von der Königin der Pilze, die der verfeindeten Jäger oder vom Säugling im Rosenstrauch. Alle sind so überzeugend erfunden, sie wirken, als hätte man sie in diversen Märchenbüchern schon gelesen. Vorleser können die Abenteuer natürlich auserzählen (viele Kinder werden darauf bestehen); noch besser aber ist es, kleine Zuhörer denken sich selbst Geschichten zu den Skizzen aus.

Dass Großes im Kleinen stecken kann, beweisen schließlich nicht nur diese Ministorys, sondern auch eine Käferfamilie, die im Inneren des Holzroboters lebt. Winzig klein fristet sie in seinem Getriebe ein scheinbar unbedeutendes Dasein, bis die Käferlein dann doch noch eine Hauptrolle spielen.

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