500. Todestag von Hieronymus Bosch:Master of Disaster

Messer groß wie Baustämme, aufgespießte Leiber, Teufelsfratzen: Heute vor 500 Jahren starb der Maler Hieronymus Bosch. Was macht ihn so einzigartig? Eine Annäherung in Bildern.

Von Hannes Vollmuth

1 / 6

Grausame Welt

Detailausschnitt

Quelle: Quelle: Wikimedia commons

Da frisst ein fetter Fisch einen Menschen kopfüber. Nur noch die Beine schauen heraus, tote Beine, bleiche Beine. Aber was heißt hier eigentlich Fisch? Dem Kiefermaul, das hier einen Menschen verschlingt, wuchern ja selbst Beine aus dem Leib, Beine, die in Stiefeln stecken und derb gespreizt sind. Macht also zusammen: Ein Fischmonster mit Menschenbeinen, das einen Menschen vertilgt. Nur ein kleines Detail am Rande eines Gemäldes von Hieronymus Bosch. Der Renaissance-Maler malte die Hölle auf Erden. Niemand mutete damals seinem Publikum so viel zu.

Detail aus dem Triptychon "Der Heuwagen" von Hieronymus Bosch. Gemalt circa 1490.

2 / 6

Hieronymus Bosch:Der Horror von damals und heute

-

Quelle: Quelle: Wikimedia commons

Hieronymus Bosch ist jetzt ein halbes Jahrtausend tot. Aber seine Terror-Wimmelbilder leben weiter: Verzerrte nackte Leiber, die auf dem Boden kauern? Kennt man von den Folterbildern aus Abu Ghraib. Aufgespießte Körper? Könnten Teil eines IS-Foltervideos sein. Brennende Stadtruinen? Szenen wie im Krieg.

"Der Nahe Osten - ein Höllengemälde wie von Hieronymus Bosch", schreiben im Moment die Zeitungen. Recht haben sie. Als wäre immer noch spätes Mittelalter, der Mensch kein bisschen besser und Bosch ein Visionär.

Das Triptychon "Der Heuwagen" von Hieronymus Bosch. Gemalt circa 1490.

3 / 6

Wer war eigentlich Hieronymus Bosch?

500th anniversary of Hieronymus Bosch's death

Quelle: dpa

Das Grauen konnte er darstellen wie kaum ein anderer. Doch in seine Malerei mischte sich stets auch ein Quantum Absurdität. Seine Fantasie kannte keine Grenzen.

Wer war aber dieser Hieronymus Bosch wirklich? Wenig ist über ihn bekannt, immerhin, so viel weiß man: Die Malerei war bereits Familientradition. Sein Urgroßvater und sein Großvater waren Maler gewesen, ebenso der Vater, der Onkel, die Brüder und sein Neffe.

Hieronymus Bosch kam um 1450 zur Welt, als Jheronimus von Aken, geboren in 's-Hertogenbosch. Als er als Maler berühmt geworden war, benannte er sich um: Aus van Aken macht er Bosch, Hieronymus Bosch, wie der allgemein benutzte Name seiner Geburtsstadt: Den Bosch. Verheiratet mit einer Patrizierin, Angehöriger der obersten Schicht der Stadt, unterschrieb er seine Werke mit großen Buchstaben.

Königshäuser zählten zu seinen Auftraggebern, der Sohn Kaiser Maximilians I. bestellte bei Bosch ein "Jüngstes Gericht". Er war schon damals schonungslos modern: So krass und grausam und fantastisch malte um 1500 niemand.

Denkmal für Hieronymus Bosch in 's-Hertogenbosch, Niederlande.

4 / 6

Absurd und komisch

Detailausschnitt

Quelle: Quelle: Wikimedia commons

Wer an Hieronymus Bosch denkt, denkt heute an Monster und Mischwesen, an Messer groß wie Bäume, Gnome mit Rollatoren, Ohren, durchstoßen von Lanzen, Dämonen mit Rattengesichtern. Der Name Hieronymus Bosch steht für eine Horrorbildermaschine, aber ganz vollständig ist das Bild damit nicht.

Nur 25 Ölbilder sind von Bosch erhalten. Die albtraumhaften sind die Berühmten, aber es gibt auch Bilder, vor allem Bilddetails, die viel komischer sind, als man das von Bosch gedacht hätte.

Im "Garten der Lüste" zeigt Bosch das Paradies: gigantische Vögel und Paläste aus Wiesenblumen. Dazwischen wärmen sich die Menschen aneinander, umgeben von Eierschalen, riesengroß.

Detail aus dem Triptychon "Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch. Gemalt circa 1500.

5 / 6

Wimmelbilder des Horrors

-

Quelle: Quelle: Wikimedia commons

Es wäre ein aussichtsloses Unterfangen, jedes Detail bei Bosch verstehen zu wollen. Einem Menschen wächst ein toter Baumstumpf aus dem Nacken. Vögel tragen Trichter wie Helme. Dazu jede Menge bewohnbare Erdbeeren und gesattelte Fische. Auf einem nackten Hintern ist eine Partitur abgedruckt. Ein Mensch hängt tot in einem Schlüssel. Warum?

Wozu? Wozu diese Wimmelbilder der bestialischen Grausamkeiten und durchbohrten Körper? Gut möglich, dass Hieronymus Bosch ein Panorama des Lebens schaffen wollte. Ins Fantastische und Bestialische verzerrt, aber repräsentativ für die menschliche Existenz. Nur wer jede potenzielle Verfehlung vor Augen hat - Wollust und Mordlust, Faulheit und Maßlosigkeit - kann ein besserer Mensch werden.

Detail aus dem Triptychon "Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch. Gemalt circa 1500.

6 / 6

Fantasie ohne Grenzen

Temptation of Saint Antony

Quelle: Quelle: Wikimedia commons

Manchmal ist man richtig erschlagen: Als wären alle Fantasy- und Horrorfilme ein einziges großer Mash-up der Bilderwelten des Hieronymus Bosch. Wer das Unbeschreibliche beschreiben will, hilft sich oft mit Hieronymus Bosch.

Über die Ruine von Tschernobyl schrieb einer: "Es ist ein Mikrokosmos, wie von Hieronymus Bosch gestaltet" (Süddeutsche Zeitung).

Über das Armageddon bei Kriegsende 1945: "Den Soldaten boten sich Bilder, wie sie kein Hieronymus Bosch hätte halluzinieren können" (Focus).

Über die Dürre-Katastrophe während des Sommerurlaubs im eigenen Garten: "Wegfahren wird zur Plage, die Angst, der Garten könnte leiden, übermannt den Schlaf und skizziert Pflanzenleid, wie es nur Hieronymus Bosch hätte zeichnen können" (Der Standard).

Da hat sich einer einen Namen als "Master of Disaster" gemacht, der ihm wohl auch für die kommenden 500 Jahre anhaften wird.

Das Triptychon "Die Versuchungen des Heiligen Antonius" von Hieronymus Bosch. Gemalt 1501.

© SZ.de 9.8.2016/pak
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: