Oper "Maskerade" in Frankfurt:Ist doch lustig

CARL NIELSEN: MASKERADE
Premiere / Frankfurter Erstaufführung vom 31. Oktober 2021

Selbst der Maskenball traut sich nicht an den richtigen Wahnsinn heran.

(Foto: Monika Rittershaus)

Tobias Kratzer kann noch aus dem ödesten Opernstoff einen Kommentar auf die Gegenwart herauskitzeln. An der Frankfurter Oper inszeniert er jetzt Carl Nielsens "Maskerade" - einfach so. Schade.

Von Egbert Tholl

Tobias Kratzer ist einer der interessantesten Opernregisseure seiner Generation. Er hat ein fabelhaftes Händchen dafür, die Motive einer - oft sattsam bekannten - Oper sehr stimmig in einen neuen Kontext zu übertragen. Die Geschichten, die er dann erzählt, können ein knallbuntes Roadmovie sein wie bei seinem "Tannhäuser" in Bayreuth oder auch eine Generalabrechnung mit dem Rassismus in den USA ("La forza del destino", Frankfurt). Nun hat er an der Frankfurter Oper Carl Nielsens "Maskerade" inszeniert. Und was macht er damit? Nichts, außer Carl Nielsens "Maskerade". Das ist eine Enttäuschung und ein Blödsinn zugleich.

"Maskerade", uraufgeführt 1906 in Kopenhagen, gilt als die - hierzulande fast unbekannte - dänische Nationaloper, was vielleicht auch am Mangel an Alternativen liegt. Doch auch wenn die Geschichte eine sehr überschaubare Komödie ist, basierend auf einem Stück von Ludvig Holberg aus dem Jahr 1724, so ist doch die Musik von oft wundervoller Eigenart. Altmodisch für die Entstehungszeit, aber voller schöner Melodien. Nielsens Kompositionen für Gesang sind der Kern seiner Bedeutung für die Musikgeschichte Dänemarks, und in "Maskerade" gibt es davon echte Lieder, Liedhaftes, ariose Passagen, zwei inbrünstige Duette, explosive Chornummern. Nielsen spielte lange Geige im Orchester der königlichen dänischen Oper. Hier lernte er jene Stücke kennen, aus denen er Anregungen fürs eigene Schaffen erhielt und diese dann reichlich unverblümt umsetzte. In "Maskerade" gibt es einen Nachtwächter, der direkt aus Wagners "Meistersingern" herüberkopiert scheint, es gibt auch ein von der Prügelfuge inspiriertes, durchgeformtes Tohuwabohu, und im dritten Akt, der eigentlichen Maskerade, was nichts anderes als ein Maskenball ist, verwurstet Nielsen alles, was an Tanzmusiken an die Gestade Dänemarks angeschwemmt wurde. Aber er macht dies elegant, voller Witz und durchaus geistreich.

An der Frankfurter Oper dirigiert Titus Engel diese Musik erfreulich plastisch, kehrt genau deren Witz hervor, der auch mal ein auskomponierter Kater sein kann. Also der Zustand, nicht das Tier. Engel leitet das Frankfurter Opernorchester sehr flott, sehr transparent. Und wenn dies nicht so wäre, der Abend wäre mühsam.

"Ach Röschen, Balsam-Döschen, lass mich mal an dein Höschen." Was für eine Einfalt!

Die Geschichte ist simpel. Zwei Väter wollen ihre Kinder verheiraten. Doch Leander, Sohn des einen, will so wenig wie Leonora, Tochter des anderen, weil sie sich beim Maskenball in einen jeweils unbekannten Menschen verliebten. Er folgen Restriktionen durch die Erziehungsberechtigten, die aber, vor allem dank der heimlichen Hauptfigur Henrik, Kammerdiener des Leander, mit leichter Hand umgangen werden. Und schließlich treffen sich alle auf dem Maskenball am nächsten Abend wieder. Die Jungen und die Alten, die auch strawanzen gehen, die Väter und eine Gattin (die andere gibt es nicht). Die Alten versuchen, außerhalb ihrer grauen Lebenswelt ein kunterbuntes Abenteuerchen, Leonora und Leander erkennen einander - sie, frisch verliebt, sind es, die die Väter füreinander bestimmten.

Tobias Kratzer ließ sich von Rainer Sellmaier einen offenen Kasten mit vielen Türen auf die Bühne stellen, erfindet im Detail auch lustige Zeichnungen der Figuren, gerade bei denen, die eher am Rande stehen. Und er kann mit Michael Porter (Leander), Monika Buczkowska (Leonora) und vor allem Liviu Holender (Henrik) auf sehr muntere Sängerdarsteller vertrauen, die, wie fast alle der zahlreichen Solisten hier, den stimmlichen Ansprüchen weitgehend mühelos gewachsen sind.

Aber: Da Kratzer nichts macht, außer die Tür-auf-Tür-zu-Dramaturgie des Stücks zu bedienen, stellt sich hier sehr bald der Eindruck eines von jeder Dramaturgie befreiten, sich auf der Stelle drehenden Räderwerks ein. Gerade die eigentliche Maskerade ist ein freilaufender Unsinn, dem aber die Abgedrehtheit echten Wahnsinns fehlt. Noch dazu ließ sich Kratzer von Martin G. Berger eine neue deutsche Fassung schreiben. In dieser wird gesungen, die wird in überdeutlichen Übertiteln projiziert, die ist grauenhaft. Dümmlichste, zotenhafte Reime treffen auf semantisch nutzloses Gestolper. "Ach Röschen, Balsam-Döschen, lass mich mal an dein Höschen." Was für eine Einfalt! Und man hofft nur, dass Tobias Kratzer sich das nächste Mal wieder eine Oper vornimmt, an der er sich wirklich abarbeiten kann, will und muss.

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