Süddeutsche Zeitung

Tippi Hedren wird 90:Zu gut, um wahr zu sein

  • Tippi Hedren wurde von Alfred Hitchcock in einem TV-Spot entdeckt. "Die Vögel" machte sie berühmt.
  • Hedren beschrieb ihre Gefühle Hitchcock gegenüber später mit den Worten "Bewunderung, Dankbarkeit und extremer Ekel", weil er sie sexuell belästigte.
  • Ihre Tochter Melanie Griffith und ihre Enkelin Dakota Johnson haben ebenfalls Schauspielkarriere gemacht.

Von Fritz Göttler

Können Sie die Frau beschreiben, fragen die Kriminalbeamten, die den Fall untersuchen sollen - die Sekretärin ist auf und davon mit fast zehntausend Dollar. O ja, das kann der Chef sehr wohl, er erinnert sich auf den Zentimeter genau an die Körpergröße, die Augenfarbe, das dunkle, wellige Haar. "Immer exakt, immer bereit zu Überstunden, zog immer den Rock über die Knie, als ob die der Staatsschatz wären. The little witch. Ich wusste, sie war zu gut, um wahr zu sein."

So beginnt Alfred Hitchcocks "Marnie", 1964, immer noch eines der rätselhaftesten Werke der Filmgeschichte und der legendäre Auftritt von Tippi Hedren, cool-blond, im Innern aber gequält, frigide, traumatisiert. Im Drehbuch hatte es noch "the little bitch" geheißen, aber das wollte der Hollywood Production Code nicht durchlassen. Nach dem Coup löst Marnie in einem Hotelwaschbecken die Farbe aus ihrem Haar, hebt den Kopf vor dem Spiegel, wirbelt die nassen Haare zurück. Ein hexenhaftes Lächeln, eine triumphale Geste. Eine Frau erfindet sich.

So hat das Hitchcock gar nicht sehen wollen. Er hat Hedren, geboren am 19. Januar 1930 in New Ulm, Minnesota, in einem TV-Spot entdeckt und sie unter Exklusivvertrag genommen, zuerst für "Die Vögel", als High-Society-Lady Melanie aus San Francisco, die von aggressiven Vögeln zum Häufchen Elend gemacht wird. Für Marnie, die es den Männern heimzahlt, war Hedren nur "zweite Wahl", Hitch hatte gehofft, für den Film Grace Kelly noch mal aus ihrem Fürstentum Monaco vor seine Kamera zu locken.

Me Too in den Sechzigern

Zu gut, um wahr zu sein ... Die Beziehung Hitchcocks zu seinen Starfrauen war immer intensiv, schmerzhaft, peinlich, er hat sie zur unnahbaren Ikone auf der Leinwand gemacht, er aber wollte von ihnen erhört werden, sie antatschen. In ihren Erinnerungen schildert Hedren, wie Hitchcock sie vom Rest der Mitarbeiter abschottete, kontrollierte, anfasste, ihre Karriere zu ruinieren drohte. "Me Too" in den Sechzigern, die Psychopathologie von Hollywoods Pygmalions. Hedrens Gefühle Hitch gegenüber: "Bewunderung, Dankbarkeit und extremer Ekel."

Tatsächlich stagnierte Hedrens Karriere über zwei Jahre lang, nicht mal François Truffaut bekam sie für seinen Film "Fahrenheit 451". Für Charles Chaplin durfte sie dann in seinem letzten Film "Die Gräfin von Hongkong" spielen - er wurde in den Pinewood Studios in London gedreht, parallel zu Truffauts "Fahrenheit 451". Hedren verschwand aus der Kinowelt, ihre Tochter Melanie Griffith und ihre Enkelin Dakota Johnson ("Fifty Shades of Grey") haben dagegen Karrieren gemacht. Aber Marnie und Melanie werden bleiben. Und in dem armseligen Chef zu Beginn von "Marnie", der sie bitch nennt, mag man einen Schatten von Hitchcock sehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4760769
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.01.2020/khil
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.