"Timm Thaler" im Kino:Hol's der Teufel

Lesezeit: 3 min

Wer mit dem Teufel Geschäfte macht, zahlt am Ende immer drauf: Timm Thaler (Arved Friese) und der unheimliche Baron Lefuet (Justus von Dohnányi). (Foto: Constantin)

Andreas Dresen inszeniert den Klassiker "Timm Thaler" nah an der Romanvorlage. Altmodisch wirkt das aber nur bedingt - schließlich ist der diabolische Baron als Populist hochmodern.

Filmkritik von Martina Knoben

Es war einmal zu jener Zeit, als Bonn noch Hauptstadt war und es nur drei Fernsehsender gab - da war "Timm Thaler" ein Straßenfeger. Auf dem Skateboard rollte Thomas Ohrner 1979 in die caprisonnige Weihnachtsserie des ZDF, lachte breit und gewann alle Herzen für sich. Wer in den Siebzigern Kind war, fieberte mit Timm mit, als ihm der dämonische Baron - Horst Frank! - sein Lachen abkaufte, um wie die Bond-Bösewichter jener Zeit über die Welt zu herrschen.

Dass ausgerechnet Andreas Dresen, der große Realist des deutschen Kinos, den Stoff noch einmal verfilmt, überrascht. Schließlich ist der Regisseur für seine Alltagsdramen bekannt, hat in "Halbe Treppe" vom komisch öden Leben zweier Ehepaare in Frankfurt/Oder erzählt, in "Wolke 9" vom Sex im Alter und in "Halt auf freier Strecke" vom Krebs. Und nun ein Kinder-, ja Märchenfilm, bei dem der Teufel seine manikürten Finger im Spiel hat!

Justus von Dohnányi spielt den finsteren Baron Lefuet, der nie lächelt und immer eine Sonnenbrille trägt, hinter der er, wie man später sieht, gelbe Reptilienaugen verbirgt. So reich der Baron ist, er hat ein Imageproblem. Deshalb will er Timm (Arved Friese) sein Lachen abkaufen. Und als ihm das gelingt, schwatzt er Timms Freundin Ida (Jule Hermann) deren Augen ab.

Dresen und sein Drehbuchautor Alexander Adolph halten sich viel stärker als die ZDF-Serie an die Romanvorlage von James Krüss, unter anderem siedeln sie die Geschichte wieder in den Zwanzigerjahren an. Der neue "Timm Thaler" ist über weite Strecken ein angenehm altmodischer Kostüm- und Märchenfilm. Dresen kostet die Möglichkeiten eines Acht-Millionen-Budgets und des Cinemascopeformats weidlich aus. So klassisch und etwas behäbig das gelegentlich wirkt, seine Interpretation des Barons als Populist ist hochmodern. Während Horst Frank den Teufel als kalten Machtmenschen spielte, ist Lefuet nun ein irrer Grinser, der mit Idas fröhlichen Augen und Timms Lächeln, auf dem Kopf eine Baseballkappe, eine Versammlung historisch berüchtigter Finsterlinge begrüßt wie ein amerikanischer Geschäftsmann.

Beinahe zu unheimlich

"Timm Thaler" ist eine moralische Geschichte. Je reicher Timm wird, weil er im Tausch gegen sein Lachen nun jede Wette gewinnt, je mehr verliert er seine Seele. Scheußlich, wie er mit Ida ins Kino geht, eigentlich lachen muss, aber nur ein Krächzen aus seinem Mund kommt.

Der Roman von James Krüss erschien 1962 auch als Reaktion auf das Wirtschaftswunder. Dresen verortet den Stoff zwar in den Zwanzigern, erlaubt sich bei der Ausstattung und den Kostümen aber viele Freiheiten, Menschenverführer gibt es schließlich zu jeder Zeit. Die Verwaltungszentrale der Hölle besteht aus Lefuets Schreibtisch vor tribünenartigen Sitzreihen, eine Mischung von Art Deco-Elementen mit Nazi- und Science Fiction-Ästhetik. Hier verrichten Dämonen als Sachbearbeiter ihren Dienst, was durchaus unheimlich ist, bis Axel Prahl und Andreas Schmidt in den hinteren Reihen auftauchen. Sie sollen Timm überwachen und werden zur Tarnung vom Baron in Ratten verwandelt.

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Für die Kinder im Publikum sind solche Lach-Momente dringend nötig, sonst wäre der Film zu aufregend. Darüber hinaus gehört die Albernheit unbedingt zu einer Geschichte, die mit der Lebensweisheit schließt, dass der Teufel da, wo der Mensch lacht, seine Macht verloren hat. Dresens Ausflug in den Märchenfilm ist am Ende dann doch nicht mehr so überraschend. Für die vielen Dinge, mit denen Menschen sich umgeben, hatte er schon immer einen aufmerksamen Blick. Hier markieren die Gasse, in der Timm aufwächst, ein Grand Hotel und die Villa des Barons Stationen des Reichtums, mit der Pferderennbahn dazwischen.

Immer wieder auch hat Dresen Drama und Schmierenkomödie zusammengebracht, dabei kann er hier auf ein wunderbares, spielfreudiges Ensemble bauen. Neben den beiden Kinderdarstellern sind das Nadja Uhl, Steffi Kühnert, Milan Peschel, Bjarne Mädel, Fritzi Haberlandt und Harald Schmidt. Sogar der frühere Timm Thaler Thomas Ohrner hat einen Kurzauftritt. Vor allem aber die dickbäuchige Prahl-Ratte mit Aufreißer-Hütchen und die lange, dünne Schmidt-Ratte mit Handtäschchen sind immer wieder der Brüller. Allerdings wird einem das Lachen in solchen Momenten auch unheimlich. Am meisten Spaß an der Verwandlung der beiden hat schließlich der Teufel.

Timm Thaler oder das verkaufte Lachen , D 2017 - Regie: Andreas Dresen. Buch: Alexander Adolph nach dem Roman von James Krüss. Kamera: Michael Hammon. Mit: Arved Friese, Justus von Dohnányi, Axel Prahl, Andreas Schmidt, Jule Hermann, Charly Hübner, Nadja Uhl, Steffi Kühnert, Bjarne Mädel, Fritzi Haberlandt . Constantin, 102 Minuten.

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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