Tilda Swinton im Museum of Modern Art:Frei zum Begaffen

Tilda Swinton Museum of Modern Art Kunst

Tilda Swinton im Museum of Modern Art.

(Foto: dpa)

Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton ist bekannt für ihre Scheu vor der Öffentlichkeit. In ihren Filmen ist sie die Spezialistin für Verstocktheit und Seelenfrost. Da ist es erst mal erstaunlich, dass sie sich nun als Performancekünstlerin im New Yorker Museum of Modern Art in einen Glaskasten legt. Doch bei genauerer Betrachtung bleibt sie auch damit sich selbst treu.

Von Jörg Häntzschel

Als am letzten Samstag die Besucher ins New Yorker Museum of Modern Art schlenderten, erwartete sie dort eine Überraschung. In einem Glaskasten im Atrium lag auf einer weiß bezogenen Matratze Tilda Swinton. Die Schauspielerin, bekannt für ausgesuchten Geschmack, trug Alltagshose, zerdrücktes Hemd und bequeme Schuhe - und schien fest zu schlafen. Die Besucher klebten an den Scheiben und verfolgten, wie Swinton sich gelegentlich von links nach rechts oder wieder zurück drehte, als handele es sich um ein Reptil, das alle paar Stunden jäh aus seiner Starre aufwacht, um eine Fliege zu fangen.

Andere mussten an Schneewittchen denken oder an Kafkas "Hungerkünstler" - und natürlich an das Video zu dem Song "The Stars (Are Out Tonight)" von David Bowies neuer Platte Während dort sinistre "Stars" einem ältlichen Ehepaar (Swinton und Bowie) nachstellen wie Paparazzi, war es hier umgekehrt: Der Star gibt sich zum Begaffen frei, und das ohne die schützende Aura aus Inszenierung, Kleidern und Posen.

Tilda Swinton als Performancekünstlerin - das überrascht erst einmal. Die aus einem schottischen Adelsgeschlecht stammende 52-Jährige begann ihre Karriere zwar bei der Royal Shakespeare Company, stand aber seit Jahren nicht mehr auf der Bühne und ist bekannt für ihre Öffentlichkeitsscheu.

Im Film ist sie Spezialistin für Verstocktheit und Seelenfrost, ob sie nun die Weiße Hexe in den "Chroniken von Narnia" spielt, die skrupellose Konzernanwältin in "Michael Clayton" oder die Mutter eines High-School-Schützen in "We Need to Talk About Kevin". Andererseits ist ihre Bettszene aus dem MoMA, die sie übrigens 1995 schon einmal in der Serpentine Gallery aufgeführt hat, auch nichts anderes als eine Performance-Verweigerung.

Dass die Schauspielerin, die für ihre Rolle in "Michael Clayton" einen Oscar bekam, ein Gastspiel in der Kunst gibt, ist wenig erstaunlich. Seit ihren frühen Rollen in den Filmen des britischen Regisseurs und Malers Derek Jarman wechselt sie nicht nur leichtfüßig zwischen großen Hollywood-Produktionen und Independent-Projekten.

Es zog sie auch immer wieder in die Zonen, wo Film, Kunst, sogar Mode sich berühren. Das gilt auch für ihr Privatleben. Sie war eine enge Freundin des Genresprengers Christoph Schlingensief; sowohl ihr erster Mann als auch ihr derzeitiger Lebensgefährte sind Künstler.

Weltweite Renaissance einer schwierigen Gattung

Freilich: Eine Performance im MoMA verspricht mehr künstlerisches Renommee als ein Arthouse-Film, zumindest seit der Kurator Klaus Biesenbach der schwierigen Gattung von dort aus zu einer weltweiten Renaissance verholfen hat.

Seine bislang erfolgreichste Aktion war Marina Abramovics Performance "The Artist is Present" von 2010. Zehn Wochen lang saß die Künstlerin dort Besuchern gegenüber und hielt bis zur beiderseitigen Erschöpfung Blickkontakt. Verglichen damit ist sich die faszinierend ungreifbare Tilda Swinton mit ihrem Hinter-Glas-Auftritt wie immer treu geblieben.

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