Philosophie:Eindeutig uneindeutig
Von Jens-Christian Rabe
Keine hundert kleine Reclam-Seiten ist dieser Essay lang, und doch hat der deutsche Islamwissenschaftler Thomas Bauer eines der großen Bücher zur Zeit geschrieben. "Die Vereindeutigung der Welt" ist ein so elegant analytisches wie beherzt eindeutiges Plädoyer für die Uneindeutigkeit und gegen die laufende Vernichtung der Vielfalt in Natur, Kunst, Religion und Politik. Das Zauberwort heißt dabei Ambiguitätstoleranz, aber so kompliziert, wie es klingt, ist es überhaupt nicht: Ambiguitätstoleranz ist einfach die Fähigkeit, Mehr- und Vieldeutigkeit aller Art aushalten, ja womöglich sogar feiern zu können als urmenschlich und urrepublikanisch - und allen Angeboten zutiefst zu misstrauen, die leichter Hand Erlösung von allen Widersprüchen versprechen, die das Leben in Gesellschaft nun mal so mit sich bringt. Wo anders als im Urlaub, der allerschönsten Antithese, sollte man für diesen Gedanken empfänglicher sein?