"They Want Me Dead" auf Sky:Achtung, jetzt kommt sie

Lesezeit: 3 min

Feuerwehrfrau Hannah (Angelina Jolie) arbeitet ihr Trauma auf und rettet den jungen Connor (Finn Little). (Foto: Emerson Miller/AP)

Angelina Jolie rettet als Feuerwehrfrau Männer vor Killern. Reicht es für einen zeitgemäßen Actionfilm, einfach die Geschlechterrollen zu tauschen?

Von Nicolas Freund

Es brennt in Hollywood. Also im übertragenen Sinne. Mit Nachdruck wird gefordert, Schauspielerinnen und Minderheiten bei Preisvergaben und Rollenbesetzungen endlich gleichberechtigt zu behandeln. Was früher gut funktionierte - zum Beispiel Actionfilme mit einem harten, weißen Burschen in der Hauptrolle, der sexistische Sprüche raushaut und Schwarze oder Frauen neben sich nur in marginalen Rollen duldet - ist heute nicht mehr vorstellbar. Ein neues, gleichberechtigtes Hollywood soll her, mit gleichen Chancen für alle, ohne sexuelle Übergriffe und latenten Rassismus. "Alright", muss sich der Schauspieler und Drehbuchautor Taylor Sheridan gedacht haben. "Klingt nach einem Job für einen Cowboy wie mich."

Sheridan ist eine Art geistiger Nachfolger von Clint Eastwood, nur mit weniger markantem Gesicht. Seinen ersten Auftritt als Schauspieler hatte er 1995 in "Walker, Texas Ranger" an der Seite von Chuck Norris und in der Biker-Serie "Sons of Anarchy" spielte er in mehr als 20 Folgen einen Deputy. Seit ein paar Jahren kämpft er auch hinter der Kamera mit großem Erfolg für Recht und Ordnung. Das Drehbuch für den Drogenthriller "Sicario" brachte ihm 2015 eine Oscarnominierung ein und für "Wind River" wurde er 2017 in Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet.

Ursprünglich sollte er als Experte für kernige Americana-Geschichten nur das Drehbuch des Feuerwehr-Thrillers "They Want Me Dead" umschreiben. Er muss sich aber berufen gefühlt haben, mit diesem Film eine Art Exempel am klassischen Hollywood-Actionkino zu statuieren, übernahm gleich noch die Regie und holte Angelina Jolie für die Hauptrolle an Bord.

Angelina Jolie spielt den harten Actionhelden und die Rolle der Frau in Not kriegt ein Mann

Sheridans Plan für die Löscharbeiten in Hollywood sah wohl so aus: Einfach alles so machen wie immer, aber - Achtung, jetzt kommt's! - mit vertauschten Geschlechterrollen. Genialer Einfall: Angelina Jolie spielt den harten Actionhelden und die Rolle der Frau in Not, die irgendwie nebenher gerettet werden muss, kriegt ein Mann. Am besten so ein Haudrauf wie Jon Bernthal, den kennt man ja als waffenstarrenden Brutalo aus "The Walking Dead" und "The Punisher", super Kontrast also.

Wer rettet hier wen? Angelina Jolie und Jon Bernthal tauschen die klassischen Actionfilmrollen. (Foto: AP)

Bleibt nur noch ein Problem: In dem Film soll Angelina eine Feuerwehrfrau spielen, die in der Wildnis Waldbrände bekämpft. Wie jetzt? Weit und breit keine Kämpfe und Schusswaffen? Ist ja langweilig. Auch zu dem Problem hat das klassische Actionkino aber schon 1993 eine Lösung entwickelt. Da wurde der Kletterfilm "Cliffhanger" mit Sylvester Stallone kurzerhand aufgepeppt, indem man ein paar bis an die Zähne bewaffnete Kriminelle in den Bergen freiließ. Okay, das funktioniert auch im Wald, müssen die Filmemacher um Sheridan gedacht haben, und wenn der dann noch brennt: umso besser.

Für Angelina Jolie sind solche Actionspektakel keine neue Erfahrung. Spätestens seit ihrer Rolle als Männerfantasie Lara Croft war sie auf Filme mit Krawallpotenzial spezialisiert. Als Regisseurin versuchte sie zuletzt, dieses Image abzulegen - unter anderem mit einer Dokumentation über die Gewalt der Roten Khmer gegen Kinder in Kambodscha und mit einem Spielfilm über den Bosnienkrieg. Ist "They Want Me Dead" nun also ein Rückschritt? Nicht ganz. Obwohl es die Filmemacher offenbar nicht auslassen konnten, dass sich Jolie vor der Kamera einmal umziehen muss, ist ihre Rolle doch etwas ernster als die der Lara Croft.

Angelina Jolie als Smoke Jumperin Hannah. (Foto: Emerson Miller/AP)

Die Feuerwehrfrau Hannah ist eine Smoke Jumperin, das sind Menschen, die mit Fallschirmen in Waldbrände springen, um dann am Boden das Feuer einzudämmen. Klar, darunter geht es in Hollywood eben einfach nicht. Hannah ist traumatisiert, weil sie es bei einem ihrer letzten Einsätze nicht geschafft hat, eine Gruppe Wanderer aus den Flammen zu retten. Aber sie bekommt eine Chance, dieses Trauma aufzuarbeiten: Ein Junge, dem sein sterbender Vater irgendwelche Geheimnisse anvertraut hat, irrt durch ihren Wald und braucht dringend Hilfe. Denn eine kriminelle Organisation will an diese Geheimnisse ran und bringt dabei jeden um, den sie zu Gesicht bekommt. Zusammen mit Jon Bernthal als Polizist und seiner beinharten, hochschwangeren Frau rangelt Jolie also im Unterholz mit zwei Waldbrände legenden Killern, bis sie so übel zugerichtet ist wie sonst nur Bruce Willis in den "Stirb langsam"-Filmen. Mehr passiert nicht, mit solchen Dingen wie der Motivation der Figuren oder einem Spannungsbogen hält sich der Film nicht lange auf.

Es stellt sich die Frage, ob das jetzt Emanzipation ist, denn der Film möchte ganz offensichtlich nicht mehr, als die wenig originelle These zu illustrieren, dass auch Frauen Actionhelden sein können. Wo ist da aber der Fortschritt, wenn Jolie das schon vor mehr als 20 Jahren als Lara Croft mit etwas erotischeren Untertönen, in der Sache aber identisch vorgeführt hat? Und reicht es, einfach die Geschlechter zu tauschen und trotzdem weiter Filme wie bisher zu machen? Wenn sich Hollywood neu erfinden möchte, müssen auch filmerisch und inhaltlich neue Ideen eine Chance bekommen. Denn eine These allein macht noch keinen guten Film.

Those Who Wish Me Dead , USA 2021 - Regie: Taylor Sheridan. Buch: Michael Koryta, Charles Leavitt, Taylor Sheridan. Kamera: Ben Richardson. Mit: Angelina Jolie, Jon Bernthal, Nicholas Hoult. 100 Minuten, auf Sky.

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