Süddeutsche Zeitung

Theaterstück "Pension F." zu Amstetten:Mäh! Bäh!

Du bist Amstetten: Mit "Pension F." führte der Wiener Theatermacher Hubsi Kramar kein Skandalstück auf, sondern die Revolverpresse vor. Und inszenierte damit eine Mediensatire.

Helmut Schödel

Auch wer sich nicht für Theater interessiert, hat schon einmal vom Wiener Burgtheater gehört, und sei es bei einer Stadtrundfahrt, vielleicht sogar von der "Josefstadt" und von der Oper wenigstens durch Opernball-Übertragungen.

Jetzt weiß man weltweit, dass in Wien das "3raum-Anatomietheater" im 3. Bezirk existiert, von dem selbst viele Wiener Theatergeher nichts wussten, weil Hubsi Kramar, der das Haus leitet, höchst frei und eigenwillig abseits des Mainstreams agiert, statt mit Stars mit Laien, Obdachlosen, Asylanten, Missbrauchten, unbekümmert um künstlerische Trends und nach dem Motto "to whom it concerns".

Dann hat er einen Abend unter dem Thema "Pension Fritzl" angekündigt, eine Mediensatire über die Vermarktung des monströsen Falls von Amstetten, diesen Josef Fritzl, von dem inzwischen jeder weiß, dass er seine Tochter 24 Jahre im Keller gefangen hielt, sie vergewaltigte und so sieben Kinder zeugte.

In Kramars Theater erwartete man sich sozusagen ein Vorspiel zu dem Mitte März beginnenden Prozess in St. Pölten, den man weltweit beobachten wird. Die Wiener Revolverpresse begann mit einer Diffamierungskampagne gegen den Theaterleiter nach altem Wiener Brauch, stilisierte ihn selbst auch zum Monster, und die internationalen Medien begannen sich, wenn auch wesentlich stilvoller, auf das Projekt einzuschießen.

Jetzt war Premiere, aber was konnte das heißen in diesem Fall? In den paar Wochen Probenzeit hatte Kramar alle Hände voll zu tun, ständig Interviews zu geben, Fernsehteams zu betreuen und sich gegen Angriffe zu wehren. Und so fand das eigentliche Ereignis gar nicht auf der Bühne statt. Es bestand aus den Polizisten, die das Theater schützten, und darin, dass auf den 120 verfügbaren Plätzen 120 Journalisten saßen.

Vor der Vorstellung drehten die Kamerateams weiter, auch in der Pause noch. Es berichten und berichteten schon zuvor nicht nur deutschsprachige Stationen, öffentlich-rechtliche und private, auch die BBC, Teams aus Russland und Norwegen. Eine Journalistin vom Schweizer Rundfunk wurde fast wieder abgewiesen.

Das war bereits die Mediensatire. Kramar führte uns alle vor, konnte zeigen, wie es funktioniert. Wie viele von den 120 Journalisten sich für Theater oder gar Hubsi Kramar interessierten, ist schwer zu sagen. Sehr viele werden es nicht gewesen sein. Die Fachkräfte aber hatten sich natürlich satirische Schärfe und einen durchkomponierten Abend erwartet. Das kam dann anders.

Auf einem blutroten Podest steht eine Couch, Ton in Ton mit der Bühne. Dahinter sieht man auf einer Videowand Kramar mit einem Schaf an der Leine durch Wien spazieren. Das Schaf trägt eine Bauchbinde in den österreichischen Farben Rot-Weiß-Rot und darauf steht sein Name: "Mäh".

Es ist offensichtlich eines von vielen österreichischen Schafen, denen er - Mäh! Bäh! - einen letztlich herrlich grauslichen Abend improvisierte, nicht immer ganz freiwillig, bis sich das genasführte Publikum vorkommen musste wie in einem Amstettener Vereinsheim, wo eine "Opferstilistin" Kramars Laiendarsteller herrichtete, die dann nach dem Motto "Und hier unser nächstes Einzelschicksal" präsentiert wurden.

Wie würden das Revolverjournalisten sehen?

Wie sollte er denn auch den Rummel toppen? Kramar, mit goldener Entertainerjacke, hatte ein paar Vorschläge."Entweder ich bring mich jetzt um, oder ich sperr alle Fernsehleute in meinen Keller, stell eine Kamera auf mit einer Liveschaltung ins Theater und schau, wie es ihnen geht". Oder, der dritte Vorschlag: Fritzl heiratet die von einem Sadisten missbrauchte Natascha Kampusch. Natürlich ist dieser Gedanke widerlich obszön.

Aber wie würden das unsere Revolverjournalisten sehen? Auch Kramars Mitarbeiter, der tatsächlich Hermann Fritzl heißt und eigentlich die Idee zu diesem Abend hatte, inzwischen "Pension F." betitelt, wurde dem Publikum vorgestellt und stand recht sprachlos da. Dafür rockten dann "Christian und Michael" um so wilder drauf los: "Geiler, geiler".

Dieser Abend, Hassobjekt der Revolverpresse, vom internationalen Medienrummel gehypt und für den Theaterkritiker jenseits der Schmerzgrenze, wird einem lange in Erinnerung bleiben. Auch durch die für Kramar typischen Moralpredigten, die er sich auch an diesem Abend nicht verbot. Im Theater saßen Leute von heute. Und denen wollte er ins Gewissen reden! Der Hubsi Kramar befindet sich eben auf einer anderen Umlaufbahn. Wenn ihn das nicht sympathisch macht!

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Quelle:
SZ vom 25.02.2009/cag
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