Süddeutsche Zeitung

Theaterstatistik:"Terror" vor "Faust"

Ferdinand von Schirachs umstrittenes Justizdrama hat Goethes Klassiker abgelöst - als am meisten gespieltes Stück auf deutschen Bühnen. "Unterwerfung" von Houllebecq und Shakespeare laufen aber auch gut.

Von Christine Dössel

Goethes "Faust" hat Konkurrenz bekommen - und zwar durch verstärkten "Terror": Ferdinand von Schirachs gleichnamiges Gerichtsdrama war auf deutschen Bühnen mit 36 Inszenierungen das meistgespielte Stück der Spielzeit 2016/2017 und verweist Goethes beliebten Klassiker auf den zweiten Platz (27 Inszenierungen). Diesen beiden Spitzenreitern folgen Wolfgang Herrndorfs "Tschick" (24) und - in Zeiten religiöser Konflikte wieder aktuell - Lessings "Nathan der Weise" (23). Dies ergibt sich aus der aktuellen Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins (Zahlen zur Saison 2017/18 liegen noch nicht vor).

"Terror" war schon gleich nach der Uraufführung 2015 ein Riesenerfolg. Es geht in dem umstrittenen Justizdrama um einen moralischen Konflikt: Ein Terrorist kapert ein Flugzeug und zwingt die Piloten, Kurs auf eine voll besetzte Fußballarena zu nehmen. Gegen den Befehl seiner Vorgesetzten schießt ein Kampfpilot der Luftwaffe die Maschine ab, alle Passagiere sterben. Der Mann muss sich vor Gericht verantworten. Der Zuschauer wird zum Geschworenen, der mitentscheidet.

Zu den Top Ten der meistgezeigten Stücke gehören auch "Frau Müller muss weg" von Lutz Hübner (20 Inszenierungen), Ayad Akhtars "Geächtet" (14) sowie auf Platz neun die Bearbeitung von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" mit 13 Inszenierungen; außerdem natürlich Shakespeares "Hamlet" (16) und "Romeo und Julia" (15). Ohnehin ist Shakespeare mit seinem Werk nach wie vor ungeschlagen der meistgespielte Dramatiker, so wie Mozart in der Oper der beliebteste Komponist ist.

Allerdings führt in der Oper diesmal nicht Mozarts "Zauberflöte" (die kommt mit 23 Inszenierungen erst auf Platz drei), sondern Humperdincks "Hänsel und Gretel" (33 Inszenierungen), gefolgt von Bizets "Carmen" (24). Auffällig sei, so der Bühnenverein, dass sich unter den zehn führenden Opernkomponisten keine Frau befindet, ebenso bei Operette und Musical. In einem Repertoire, das sich über Jahrhunderte entwickelt hat und nur langsam verändert, so die Conclusio, "dürfte es besonders schwierig sein, eine gerechtere Beteiligung aller Geschlechter zu erreichen". Bleibt noch einiges zu tun.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2018
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