Süddeutsche Zeitung

Theaterfestival:Sonnenschein bei Nacht

"Radikal jung" hat ordentlich Spaß gemacht

Von Egbert Tholl

Bei der Verwirklichung seines Plans, ein Superstar zu werden, auch um seinen Eltern ein besseres Leben ermöglichen zu können, ist Ariah Lester ein Stückchen vorangekommen. Zum Abschluss des Festivals "Radikal jung" im Volkstheater erhielt er für seine berührende Show "White [ARIANE]" den Publikumspreis, dotiert mit 3000 Euro, die die Freunde des Volkstheaters stiften. Die Masterclass-Regiestudenten fanden die New Yorker Produktion "[50/50] Old School Animation" von Peter Mills Weiss und Julia Mounsey am schönsten, die Kritikstudenten der August Everding Theaterakademie "Amsterdam" in der Regie von Sapir Heller, der Beitrag des Volkstheaters selbst zum Festival. Mit 92 Prozent Auslastung war "Radikal jung" auch in diesem Jahr der schon gewohnte große Erfolg.

Tatsächlich war diese Woche eine der schönsten Theaterwochen, die man erleben kann. Man muss nicht vor jeder einzelnen Inszenierung niederknien, in der Gesamtschau entsteht die Faszination dieses Festivals, in seiner Vielfalt und der Fülle unterschiedlicher Theateransätze. Dazu kommt die herrliche Atmosphäre zwischen und nach den Aufführungen, da muss man schrecklich viel reden, in bester Laune, für die auch Philipp Moschitz sorgt. Der Mann ist ein Sonnenschein, auch bei Nacht und Regen. Am Landestheater Niederösterreich, in St. Pölten, hat er "Um die Wette" von Eugène Labiche inszeniert, und man kann sich nun fragen, ob er genau dieses Stück inszeniert hat, weil er so ist wie er ist, oder ob er das Stück so inszeniert hat, wie er selbst ist. Oder so. An den Kammerspielen läuft das gleiche Stück als "Trüffel Trüffel", da ist es auch lustig. Sportlicher ist es bei Moschitz, da muss ein kontinuierlich wachsender Sessel erklommen werden, getanzt wird auch, dazu Tür auf, Tür zu, singen tun sie auch alle, und wenn Gisa Flake das macht, dann ist es wirklich grandios. Jedes Stadt-, Staats- oder Landestheater hat eine sogenannte Komödienposition, in St. Pölten ist es also Labiche. Das Stück muss man ganz und gar nicht mögen, es geht um Angeberei, um das Vorgaukeln großartiger Verhältnisse und um Eitelkeit, also um Instagram und Facebook im 19. Jahrhundert. Aber bei Moschitz geht es viel rasanter zu als im Netz; perfektes Handwerk trifft auf muntere Schauspieler und einen altmodischen Text, haha.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2019
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