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Theater:Zimmerservice

Das Bürgertheater Regensburg spielt "Hotelgeschichten"

Von Sabine Reithmaier, Regensburg

Die schlechte Nachricht zuerst: Alle Vorstellungen sind ausverkauft. Kein Wunder, allzu viele sind es ja nicht - mit der Uraufführung (13. Juni) gerade mal vier. Außerdem fasst der ehemalige Ballsaal des Regensburger Hotels "Goldenes Kreuz" nur 140 Zuschauer. "Wäre nicht schlecht, das Ganze ein bisschen ökonomischer zu gestalten", räumt Autor und Regisseur Joseph Berlinger ein. Gemeinsam mit der Schauspielerin und Sängerin Eva Sixt hat er das Stück "Im Goldenen Kreuz. Hotelgeschichten" geschrieben, beide führen auch Regie. Die Geschichten ziehen sich durch die Jahrhunderte, reichen von Karl V. im 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Aber da das Bürgertheater auf originale Schauplätze und historisch verbürgte Regensburger Geschichten großen Wert legt, bot sich der grandiose, normalerweise von einem Auktionshaus genutzte Ballsaal an.

Was das Bürgertheater Regensburg von anderen ähnlichen Theatergruppen unterscheidet, ist der unbedingte Wille der Laienschauspieler, keine fertigen Stücke zu spielen. "Sie managen den gesamten Einwicklungsprozess von der Idee bis hin zur Ausführung", sagt Eva Sixt. Für die Umsetzung holen sie sich, unterstützt durch eine Kooperation mit dem Theater Regensburg, professionelle Hilfe. Vor zwei Jahren arbeitete die Truppe, ebenfalls mit Berlinger und Sixt, in "Hoffnung Havanna" die Geschichte des Juden Simon Oberdorfer auf. Der Regensburger hatte, bevor er zum "Volksschädling" wurde, eine Radrennbahn gebaut. Sein Velodrom wandelte er bald in einen Vergnügungstempel mit exquisiten Programmen, später in ein Lichtspielhaus um.

Auf eine deutlich längere Historie blickt das "Goldene Kreuz" zurück. Kaiser Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, bestimmte die Patrizierburg am Haidplatz zur Kaiserherberge. 1546 stieg er hier anlässlich des Reichstags zum dritten Mal ab, verliebte sich in die Gürtlerstochter Barbara Blomberg, zeugte während der kurzen Romanze Don Juan d'Austria, den späteren Helden der Seeschlacht von Lepanto - alles nachzulesen auf einer Inschrift am Turm des Hauses. Logisch, dass Barbara Blomberg in einer der Szenen eine Hauptrolle spielt. Sie kehrt darin, anders als in der Realität, wieder nach Regensburg zurück und erzählt ihr Leben. "Und das hört sich ganz anders an als die tradierte Story von der ,Altersliebe' des Kaisers", sagt Sixt.

Zwölf historische Figuren haben die Mitglieder des Bürgertheaters recherchiert. Sechs davon haben Berlinger und Sixt ausgewählt. Den Besuch Kaiserin Sisis im Hotel etwa oder Marie Schandri, die dort 40 Jahre lang Köchin war. Das Kochbuch, das sie 1866 herausgab, wird noch immer aufgelegt. Oder den Hoteldirektor, der 1809 die gesammelten Gästebücher an einen Altpapierhändler verkaufte, weil er in finanziellen Nöten war. "200 Jahre Wissen über die Gäste vernichtet", ärgert sich Berlinger. "Es hat mich gereizt, diesem Typen irgendetwas anzudichten." Letzteres gilt auch für das Treffen von Kaiser Wilhelm I. mit dem ob des bayerischen Machtverlusts frustrierten König Ludwig II im Jahr 1871.

Anders als bei "Hoffnung Havanna" dürfte es dieses Mal viel zu lachen geben. Wenn man es denn schafft, eine Aufführung zu sehen.

Im Goldenen Kreuz. Hotelgeschichten, 13. bis 16. Juni, 20 Uhr, Auktionshaus Keup, Regensburg

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SZ vom 12.06.2019
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