Süddeutsche Zeitung

Theater:Wonderwoman im Dirndl

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Die Komödie "Mirandolina" im Bayerischen Hof erzählt von einer starken Frau, schwachen Männern und dem verlockenden Gesang der Sirenen

Von Katharina Rustler

Wenn sie etwas sagt, dann wird das so gemacht. Wenn sie etwas will, bekommt sie es auch. Und dazu braucht sie weder Hilfe, noch Ratschläge, geschweige denn einen Mann. Bäm! Die Wirtin Mirandolina (Mariella Ahrens) ist die taffe Hauptfigur der gleichnamigen Komödie von Carlo Goldoni, die am vergangenen Mittwoch im Bayerischen Hof unter der Regie von Thomas Pekny Premiere hatte. Sie ist der Inbegriff einer starken, emanzipierten Frau, die ihre Freiheit genießt und ahnungslose Männer um den Finger wickelt. In venezianischer Tracht mit neckisch hochgeknotetem Rock spielt sie mit ihren weiblichen Reizen und lässt doch niemanden an sich heran.

Ein durchaus modernes Thema für das illustre Stück, das 1753 in Venedig uraufgeführt wurde und ebendort spielt. Auf Holzstegen steht die kleine Pension von Mirandolina, die Schauplatz dieser Geschichte ist. Diese betreibt sie nur mit der Hilfe ihres ergebenen Dieners, dem jungen Schönling Fabrizio (Ricardo Angelini), der heimlich in sie verliebt ist.

Doch damit ist er nicht der Einzige. Denn fast alle Männer, die dort absteigen - hauptsächlich alt und wohlhabend - verlieren ihr Herz an die Wirtin. Da wären der Marchese von Forlipopoli (Gilbert von Sohlern) und der Graf von Albafiorita (Peter Rappenglück), ein witziges Dick-und-Doof-Duo. Mit teuren Geschenken versuchen sie Mirandolinas Gunst zu erwerben, die sie gerne annimmt und die Herren im Glauben lässt, eine ernsthafte Chance zu haben. Dabei treibt die weiße Spitzenwäsche, die über den Köpfen ihrer liebeskranken Gäste zum Trocknen baumelt, diese noch mehr in den Wahnsinn. Wie klebrige Fäden eines Spinnennetzes, landet immer wieder ein Büstenhalter oder ein Höschen in den gierigen Händen eines Verehrers.

Ganz im Kontrast dazu steht der ernste und gebildete Frauenhasser Cavaliere von Ripafratta (Michele Oliveri), eine einnehmende Person. Er amüsiert sich über die beiden, pflegt den Ruf, weiblichen Reizen abgeschworen zu haben und vertritt die charmante Meinung, alle Frauen seien böse Hexen. Als die Hausherrin davon erfährt, erträgt sie es nicht, dass er sie nicht anhimmelt. Kurzerhand plant sie den Cavaliere zu verführen und ihm so zu beweisen, dass auch er Gefühle habe und ihr nicht widerstehen kann. Natürlich gefällt das den Nebenbuhlern überhaupt nicht, woraufhin sich ein emotionales Eifersuchtsspektakel entspinnt.

Nun ist die heitere Geschichte an dem Punkt angelangt, an dem man über die flachen Geschlechterwitze, die hier zugegeben ganz gut passen, und die schmutzigen Metaphern, Vergleiche weiblicher Geschlechtsteile mit "Frutti di Mare" und "Venusmuscheln", gelacht hat. Nun müsste die umgarnte Wirtin einlenken und endlich reinen Tisch machen, doch das tut sie viel zu spät. Wie eine sadistische Wonderwoman steht sie da, beobachtet das Ganze und erfreut sich, dass ihr nun auch der Letzte verfallen ist. Ganz nach dem Motto: Wer dem Gesang der Sirenen lauscht, ist selbst schuld.

Und obwohl irgendwann alle das durchtriebene Spiel durchschauen, sehnen sie sich immer noch nach ihrer Liebe und trällern liebestrunken ihren melodischen Namen: Mirandolina, Mirandolina. Jetzt ist man an dem Punkt, an dem man ihn einfach nicht mehr hören kann.

Mirandolina , Regie: Thomas Pekny, bis zum 29. Juli, täglich um 19.30 Uhr, Komödie im Bayerischen Hof, Promenadeplatz 6

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Quelle:
SZ vom 15.06.2018
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