Theater:Tod eines Clowns

Minetti

Ein wundervolles Paar feiert sein letztes Fest. In Unterhosen. Gerd Lohmeyer als Minetti (vorne) und Andreas Bittl.

(Foto: Volker Derlath)

Gerd Lohmeyer spielt im Theater Blaue Maus Thomas Bernhards "Minetti", Resümee eines Künstlerlebens und Schelte des Kulturbetriebs

Von Egbert Tholl

Eine interessante Trias: Bernhard Minetti, Michel Piccoli, Gerd Lohmeyer. Bernhard Minetti spielte Minetti in "Minetti" bei der Uraufführung des Stücks durch Claus Peymann in Stuttgart 1976, Michel Piccoli spielte Minetti vor zehn Jahren in Paris, Gerd Lohmeyer spielt ihn jetzt im Theater Blaue Maus. Das war's. Mehr Minettis gibt es nicht.

Vielleicht war die Scheu der Theater zu groß, die Hommage, die Thomas Bernhard an einen großen Thomas-Bernhard-Schauspieler geschrieben hat, auf andere Darsteller zu übertragen. Dabei braucht es einfach einen Schauspieler wie Lohmeyer, der mit seinen ewig kinderjungen Augen, seinem Charme und Witz, seiner seelenverlorenen Traurigkeit einen Minetti spielen kann, der so gar nichts von dem Absolutheitsanspruch eines großen, bilanzierenden Tragöden hat, sondern ein Mensch ist. Ein Mensch, der mal Theater gespielt hat und es immer noch tut, einmal im Monat daheim vor dem Spiegel, den Lear, seit 30 Jahren in der Dachkammer der Schwester in Dinkelsbühl, mit der Lear-Maske auf dem Kopf, die ihm der Maler Ensor geschaffen hat, der auch mal hier war, wo Lohmeyer-Minetti jetzt ist, in einem Hotel in Oostende, am Silvesterabend, also an der winterlich gottverlassenen Nordseeküste.

"Die Schauspielkunst als Existenzzweck - was für eine Ungeheuerlichkeit." Aber es hilft ja nichts. Lohmeyer changiert virtuos zwischen Larmoyanz und dem eitlen Stolz des einst größten Lear-Darstellers. Viel Wut ist noch da, über den Stumpfsinn der Gesellschaft, über einen Theaterbetrieb, der ihn rausschmiss, als er sich von der klassischen Kunst abwandte. Da denkt man für einen kurzen Moment an die CSU, Matthias Lilienthal und die Zeitlosigkeit von Thomas Bernhards Zorn.

Übrig geblieben ist der Narr mit der Lear-Maske, die er im Koffer mit sich herumträgt. Selbst ist er buchstäblich eingeschneit im Hotel, dessen Halle mit der Silvesterdeko noch trauriger aussieht. Alois-Michael Heigl hat den Text ganz auf Lohmeyer hinkonzentriert, neben ihm spielt Andreas Bittl das Faktotum des Hotels, nimmt in Andeutungen Nuancen der anderen, absentierten Figuren auf. Im Morgenmantel spielt Bittl Klavier, sucht anfangs aus der Erinnerung ein Lied zusammen, "Death of a Clown" von The Kinks. Später spielt er noch Wagner, Salonmusik, lässt Schuberts "Winterreise" anklingen. Für den alten Narren ist die Reise zu Ende, die Begegnung mit einem herein- und hinausschneienden Mädchen ist längst kein Trost mehr. Großäugig bestaunt Birgit Werner die dunkelwolkenschwere Melancholie des funkelnden Alten. "Blast Wind und sprengt die Backen, wütet, blast, blast." Aus.

Minetti von Thomas Bernhard, Theater Blaue Maus, Elvirastraße 17a, bis Ende April, wieder am 18. April

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