Theater:"Suizid macht hungrig"

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Vom Strick ins Bett: Fast schon manisch-depressiv gibt sich Claire (Eva-Maria Grein von Friedl) im Todes-, später Liebestanz mit dem Selbstmordkandidaten Arthur (Hardy Krüger jr.). (Foto: Katerina Kepka)

Die Komödie im Bayerischen Hof zeigt "Arthur & Claire". Auf dem Kammerspiel zweier Lebensmüder basiert der Kinofilm - ein Vergleich

Von Bernhard Blöchl

Ein bisschen mutig ist das schon. Das Stück gerade jetzt in München auf die Bühne zu bringen, in einem Jahr, in dem die hintergründig münchnerische Verfilmung in die Kinos kam (die Premiere gab's damals im City, der Film-Fernseh-Fonds Bayern hatte kräftig gefördert, weshalb die Innenszenen in der Landeshauptstadt gedreht wurden); und seit ein paar Wochen kann man die Tragikomödie, deren Handlung in Amsterdam spielt, auch auf DVD gucken. Soll heißen: Weit mehr als 100 000 Menschen dürften Josef Hader im Kopf haben, viele auch Hannah Hoekstra, wenn sie an "Arthur & Claire" denken, jenes Stück, das in diesen Tagen in der Komödie im Bayerischen Hof Premiere hatte, genauer gesagt: die Inszenierung von Ute Willing (noch bis Mitte Dezember).

Aber klar, Kino ist Kino, Theater ist Theater. Und das Stück war zuerst da. Auf dem Text des österreichischen Erfolgsautors Stefan Vögel basiert denn auch der Film von Miguel Alexandre, der - gemeinsam mit Hader - ein stark verändertes Drehbuch aus dem Stoff herausgeschält hat. Hier wie da stehen die zwei Protagonisten im Fokus (er etwas älter, sie etwas jünger, er etwas grummelig, sie etwas überdreht), die scheinbar nichts verbindet, außer der Todeswunsch. Er hat unheilbar Krebs, der Termin in der holländischen Sterbeklinik ist bereits am nächsten Morgen. Sie hat ihr Kind bei einem Unfall im Auto verloren, das sie gesteuert hat. Über das Trauma kommt sie nicht hinweg. Beide begegnen sich in einem Hotel ("Amsterdam sehen und sterben", natürlich fällt dieser Satz); beide lenken sich ab von den morbiden Plänen. Sie kommen sich näher, fordern sich heraus und ergründen ihre (Familien-)Geheimnisse. So weit das Gerüst.

Das Bühnenstück unter der Regie der Münchner Schauspielerin beginnt mit Arthur beim Schreiben seines Abschiedsbriefes. Man sieht Hardy Krüger jr. beim Hüsteln zu und wünscht sich Josef Hader herbei, wie er in der entsprechenden Filmszene um sein Leben röchelt. Wenn Hader Arthur ist, ist Krüger Arthürchen, das geht hin bis zur Tiefe der Gesichtsfurchen. Der 50-Jährige schaut einfach zu vital aus für einen Todkranken auf Abwegen. Auch die TV-Kollegin Eva-Maria Grein von Friedl ("Kreuzfahrt ins Glück") wirkt im Vergleich zu ihrem Filmpendant wie der Sonnenstrahl in der Schlechtwetterfront.

Losgelöst von derart Vergleichen, macht das Duo seine Sache für das Boulevardtheater recht gut. Grein von Friedl spielt mit leicht holländischem Akzent, in den besten Momenten gelingt ihr der Wechsel von tiefer Traurigkeit zu großer Freude. Fast manisch-depressiv, sozusagen vom Strick ins Bett. Mit ihm. Hardy Krüger jr. hat seinen Part Dutzende Male auf Tournee gespielt, das merkt man ihm an. Text und Ausdruck sitzen.

Fünf Akte hat die spielfilmlange Produktion, zwischendurch der laute Rhythmus eines schlagenden Herzens. Das Bühnenbild und die Ausstattung (Thomas Pekny) sind der anonymen Hotelatmosphäre angepasst, da lenkt nichts von den Figuren ab. Der meist komödiantische, zuweilen saloppe Umgang mit der todernsten Thematik ("Suizid macht hungrig") mag die einen verstören; andere sehnen sich nach den elegant-verschmitzten Dialogzeilen des Films. Das Ende auf der Bühne ist anders (Ricardo Angelini taucht als Arthurs Sohn auf). Hinterher lebenslustiger Premierenapplaus. Dann Gedränge am Buffet. Hungrig, wie gesagt.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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