Theater:Schöner Sterben

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Eva Löbau ist Tatort-Kommissarin, spielt an den Kammerspielen und übt nun in der Bühnenadaption von "Melancholia" den Weltuntergang

Von Christiane Lutz

Das Ende der Menschheit beginnt mit einer Hochzeit. Justine und Michael heiraten auf einem schicken Landgut der Brautschwester Claire, beide sind erfolgreich in irgendeinem schicken Beruf, sie strahlen. Dass das Paar zu spät zu seiner eigenen Feier kommt, weil die Limousine unterwegs festhing, ist durchaus als böses Omen zu verstehen - ganz zu schweigen von dem beunruhigend leuchtenden Stern, der sich der Erde nähert. Lars von Trier lässt in dem Film "Melancholia" genüsslich die Welt zugrunde gehen. Erst crasht die depressive Justine ihre eigene Hochzeit, dann schlägt im zweiten Teil, "Melancholia" ein. Uff.

Schauspielerin Eva Löbau sieht allerdings eher so aus, als käme sie gerade vom Bergauf- als vom Weltuntergang, als sie ein paar Tage vor der Premiere in die Kantine der Kammerspiele kommt. Frischer Blick, sportliches Auftreten. Dabei habe sie viel zu wenig Zeit zum Bergsteigen, leider, sagt sie. Löbau, 47, zog vergangenen Herbst nach München und ist nun Teil des Ensembles der Kammerspiele. Matthias Lilienthal kennt sie aus seiner Zeit am HAU, die meisten Menschen dürften Löbau wiederum aus Kino und Fernsehen kennen. Sie spielt in Filmen wie "Einsamkeit und Sex und Mitleid" und ermittelt seit 2017 als Kommissarin Franziska Tobler im Schwarzwald-"Tatort". In München ist sie Teil des Performance-Duos "Die Bairishe Geisha". Kurz, sie beherrscht allerlei Spielformen ihres Berufs, "man kann mich halt sehr schnell begeistern", nennt sie das. An die Kammerspiele wollte sie auch, weil sie nicht als "Tatort-Tante" abgestempelt werden wollte.

Im Film "Melancholia" sind die Figuren einsam rotierende Planeten - wie hier Thomas Hauser als verlassener Bräutigam Michael. (Foto: Armin Smailovic)

In der Adaption von "Melancholia", die Felix Rothenhäusler jetzt an den Kammerspielen inszeniert, spielt Eva Löbau nun Claire, die pragmatische Schwester der Braut. Eine Frau, die gern Häkchen auf To-do-Listen setzt und versucht, ihre depressive Schwester wieder fit zu machen. "Claire entkommt ihrem eigenen Funktionieren nicht und will immer einen Plan", sagt Löbau. Nachdem Justine (gespielt von Julia Riedler) in tiefe Depression gefallen ist, kümmert sich Claire um sie mit aufrichtiger Zuneigung. Am Ende dann, wenn die Welt untergeht, klammern sich die Schwestern aneinander.

Regisseur Felix Rothenhäusler hat eine Freude an Endzeitgeschichten und der Frage, ob es eigentlich schlimm ist, wenn die Menschheit zugrunde geht. 2015 schon adaptierte er den Science-Fiction-Roman "Nichts von euch auf Erden", der auch nicht mehr Zuversicht verströmt, als "Melancholia". Hoffnung ist in dieser Geschichte nirgends. "Die dysfunktionale Justine kann der Katastrophe besser ins Gesicht schauen als ihre Schwester Claire, weil sie die ganze Zeit schon in der Katastrophe lebt", sagt Löbau. Es gehe in dem Stück "ums Akzeptieren und darum, wie man möglichst würdevoll zugrunde geht". Klingt nach einem heiteren Theaterabend. Will man dem Ganzen dennoch etwas Positives abgewinnen, schlägt Löbau vor, die Geschichte als Parabel auf die Gegenwart zu lesen. "Ich finde die Geschichte aktueller als zu der Zeit, als der Film gemacht wurde", sagt sie und meint eine Stimmung von: Wir können so nicht weitermachen. Die bevorstehende Kollision als Sinnbild für eine Umweltkatastrophe, einen Krieg, vielleicht eine namenlose Bedrohung. "Ich will nicht in einen Greta-Thunberg-Duktus verfallen, aber ich halte es für legitim zu fragen: Was können wir tun, wenn wir uns nicht einfach ergeben wollen?"

Eva Löbau, 47, ist seit 2017 Kommissarin im Schwarzwald-Tatort. 2018 wurde sie Teil des Ensembles der Kammerspiele. Aktuell ist sie dort in "Kill the Audience" und Susanne Kennedys "Drei Schwestern" zu sehen. (Foto: Julian Baumann)

Der Film schafft monumentale Bilder für die heraufsteigende Katastrophe: ein glühender Himmel, eine Braut im Seerosenteich, bedrohlich rotierende Gestirne, unterlegt mit nichts weniger Dramatischem als mit Wagners "Tristan und Isolde". Löbau und ihre Kollegen (Julia Riedler, Thomas Hauser, Majd Feddah und Gro Swantje Kohlhof) müssen, wie immer, wenn sich das Theater an bildgewaltige Vorlagen wagt, ihre eigene Geschichte finden. Was der Film zeigt, soll durch Sprache entstehen. Die Bühne mit dem durchsichtigen Boden wird leer sein, keine Requisiten. "Da gibt es nichts, an dem man sich festhalten oder wo man sich ausruhen kann", sagt Löbau. "Wir sind selbst Planeten auf der Bühne. Lost in space."

Eva Löbau ist derzeit selbst ein wenig lost in space, wie sie sagt, so richtig angekommen sei sie an den Kammerspielen noch nicht. Zu viel Projekte außerhalb Münchens. Sie ist als Schauspielerin zwar in der komfortablen Position, mehr Angebote zu bekommen, als sie annehmen kann, aber abzusagen fällt ihr schwer. "Eigentlich suche ich nach mehr Privatleben, aber ich bekomme immer nur mehr Arbeit." Kommende Spielzeit soll das alles besser werden, da ist sie zuerst bei "Die Räuberinnen" dabei und hofft, dass ein wenig Ruhe im Theateralltag einkehrt. Der Weltuntergang kann warten.

Melancholia , Premiere am Samstag, 15. Juni, Kammerspiele

© SZ vom 13.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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