Theater:Schockgefroren

Locker Room Talk

Männliche Posen zu imitieren, hilft auch nicht dabei, männliche Plumpheit zu verstehen: Silke Heise, Susanne Berckhemer, Doris Dubiel und Denia Nironen.

(Foto: Jochen Quast)

"Locker Room Talk" in Regensburg dokumentiert, wie herabwürdigend viele Männer über Frauen reden

Von Christiane Lutz

Als im US-Wahlkampf im Herbst 2016 ein Video auftauchte, in dem sich der jetzige Präsident Donald Trump abfällig über Frauen äußerte, entschuldigte er das mit der Erklärung, das sei ja nur "Locker Room Talk" gewesen. Ein Plausch unter Männern, wie sie ihn in der Umkleide führen, also nicht ganz ernst gemeint und nicht ernst zu nehmen. Absurderweise kostete ihn diese herabwürdigende Haltung Frauen gegenüber überhaupt nichts, er wurde kurz darauf zum Präsidenten gewählt.

Den schottischen Autor Gary McNair, 32, machte das so wütend, dass er sich aufmachte, mit Männern über Frauen zu sprechen, um zu prüfen, ob es ihn wirklich gibt, diesen Locker Room Talk. Aus vielen Hundert Stunden Audiomaterial bastelte er eine Textcollage, die auch die schlimmsten Befürchtungen vieler Frauen und Männer noch überbieten.

In kurzen Szenen erzählen Männer völlig ungeniert von Punktesystemen, nach denen sie Frauen bewerten ("Persönlichkeit kannst du nicht vögeln"), beschreiben ihren optischen Ansprüchen an Frauen ("Die Beine müssen sie alle breit machen") und davon, was sie von Gleichberechtigung halten ("Feministinnen sind Nazis"). So weit, so widerlich.

"Locker Room Talk" wurde im Rahmen des Edinburgh Festivals im Herbst 2017 uraufgeführt. Am Theater Regensburg inszenierte jetzt Patricia Benecke die deutschsprachige Erstaufführung, die den erklärenden Beisatz "Was Männer über Frauen reden" trägt. Benecke macht das, wie vom Autor vorgegeben, mit vier Schauspielerinnen. Bilder für die harten Worte zu finden, ist schwierig. Der Regisseurin fällt nicht viel mehr ein, als ihre Schauspielerinnen in einen entfernt an eine Umkleidekabine erinnernden Raum zu stellen und sie den Text frontal ins Publikum sprechen zu lassen. Zu sehen gibt es also wenig, zu verdauen dafür umso mehr. Dadurch, dass ausschließlich Frauen den dokumentarischen Text sprechen und spielen, entsteht aber eine größere Brutalität und eine bitterböse Ironie, die sich bei vielen Zuschauern in erschreckten Lachern entlädt.

Das Stück hat in seiner Thematik absolute Berechtigung und gehört auf die Bühne, auch wenn es große Schwächen hat. Es beschränkt sich nämlich auf die Wiedergabe eines Status quo. Als wollte der Autor sagen: "Ja, es ist so schlimm, wie ihr befürchtet habt, auf Wiedersehen." Keiner der Männer wird mit seinem Frauen verachtenden Weltbild konfrontiert, keinem fliegt es um die Ohren, Momente der aufkeimenden Reflexion bügeln die Kumpels nieder. Die vier Schauspielerinnen sind nicht mehr als Übermittlerinnen dieser misogynen Weltbilder, nicht dessen Infragestellerinnen. Weder McNair noch Regisseurin Benecke formulieren über diese verheerende Abbildung hinaus so etwas wie eine Idee, wie die dringend notwendige Debatte zwischen Männern und Frauen weitergehen könnte. Sie erlauben sich nicht mal eine Kritik an den Verhältnissen, erstarren viel mehr vor ihnen. Das ist eine künstlerisch legitime Haltung, aber auch eine, die von großer Ratlosigkeit zeugt. Natürlich muss das Theater keine Handlungsanweisungen für ein gleichberechtigtes Miteinander geben. Aber ein Text wie "Locker Room Talk" dürfte das in Zeiten von #Me Too ohnehin große Misstrauen zwischen Männern und Frauen nur noch verstärken. Vermutlich auch, um dem entgegenzuwirken, bietet das Theater Gespräche an, bei denen Zuschauer auch etwas über die Hintergründe zur Entstehung des Textes erfahren. Autor Gary McNair, der zur Premiere angereist war, erzählt bereitwillig von seinen Recherchen. Alle Männer hätten gewusst, dass sie aufgenommen würden. Nein, er habe keine suggestiven Fragen gestellt, die die Männer zu ihren haarsträubenden Aussagen verlockt hätten. McNair sprach mit etwa 200 Männern und bemühte sich um größtmögliche soziale Bandbreite, sprach mit Anwälten und Ärzten genauso wie Handwerkern und Taxifahrern. Mit Jungs im Teenager-Alter genauso wie Mitglieder eines Sportvereins. Mal allein, mal in Gruppen. Er fragte sie, was sie über Feminismus denken, über Beziehungen, Dating und Sex. McNair sagt, er habe in der Zeit sehr viel Robbie Williams hören müssen, um nicht verrückt zu werden. Macho-Popballaden gegen Sexismus, sozusagen.

Auch wenn das nach sehr viel Arbeit klingt, "Locker Room Talk" stellt in Text und Inszenierung klar: Es liegt allein beim Publikum. Ihr müsst die Gespräche führen, ihr müsst die Männer ansprechen, die so über Frauen reden. Die erkenntnisreichste Szene des Abends ist die, in der sich fünfjährige Jungs in genau den gleichen Stereotypen ergießen wie ihre älteren Geschlechtergenossen: "Mädchen können nicht rennen", "Die waschen ab und kümmern sich um Babys", oder "Jungen sind besser als Mädchen". Harmloses Gebrabbel - vielleicht. Aber hier wird klar, dass Sexismus nicht nur etwas ist, das die Gesellschaft der Erwachsenen überwinden muss, sondern dass seine Wurzel sehr viel tiefer liegt und auch dort angepackt werden muss. Bei der Erziehung unserer Kinder.

Locker Room Talk, Theater Regensburg, nächster Termin: Donnerstag, 6. Dezember, 19.30 Uhr.

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