Theater:Menschliche Schutzschilde

outposts of resistance

Busfahrt nach Bagdad: In Doppeldeckern reisten Friedensaktivisten todesmutig aus London an, um während des Irakkrieges die geplanten Bombardements der Amerikaner zu verhindern.

(Foto: Veranstalter/oh)

Lisa Hörstmann und Sebastian Hirn verarbeiten in ihrer Performance "Outposts Of Resistance" Eindrücke aus der "Human Shields"-Bewegung im Irakkrieg 2003

Von Allegra Pirker

Truth, Justice, Peace" prangt auf den beiden roten Doppeldeckerbussen, die sich am 25. Januar 2003 von London nach Bagdad aufmachen. 50 Friedensaktivisten aus Europa sowie an die 1000 weitere Personen aus aller Welt haben es sich zum Ziel gesetzt, in den Irak zu reisen, um als menschliche Schutzschilde zu dienen. Damit will man verhindern, dass die US-geführten Koalitionstruppen bestimmte Orte während der Irak-Invasion 2003 bombardieren. Die "Human Shields" platziert man gezielt an zentralen Einrichtungen der zivilen Infrastruktur, wie etwa Werke der Wasser- oder Stromversorgung. Die genauen Koordinaten jedes Standortes hat Initiator Ken O'Keefe, ehemaliges Mitglied der US-Marines und Golfkriegs-Veteran, damals an die Vereinigten Staaten weitergegeben in der Hoffnung, dadurch ihre Bombardierungspläne zu durchkreuzen.

Dass das irakische Regime die Friedensaktion jedoch für die eigene Propaganda benutzt, war das Hauptargument aller damaligen Kritiker. Man warf der Bewegung eine gewisse Naivität vor, nicht wahrhaben zu wollen, dass Saddams Regime sie strategisch ausnutzte. "Den Aktivisten war das klar, aber anders wäre die Aktion nicht möglich gewesen - wie sonst hätten die vielen Menschen einreisen können", findet die freischaffende Künstlerin Lisa Hörstmann. Sie selbst hält die Aktion für "wahnsinnig schlau".

Dass westliche Körper für die USA mehr wert wären als arabische, mit diesem Gedanken hat auch Ken O'Keefe gearbeitet und gezielt darauf gesetzt, dass das Töten einiger weniger westlicher Menschen einen Eklat bedeuten würde, während das Sterben mehrerer Millionen Araber ohne größere Aufregung hingenommen würde. Das Projekt scheiterte im Endeffekt, denn von den 10 000 Aktivisten aus der westlichen Welt, die man sich erhofft hatte, erschienen nur ein Zehntel. Und als US-Präsident Bush sich von seinen Bombardierungsplänen nicht abhalten ließ, blieben nur etwa 50 Aktivisten während des Krieges in Bagdad.

Zusammen mit dem Regisseur Sebastian Hirn hat Hörstmann nun das Projekt "Outposts Of Resistance" auf die Beine gestellt. Eine Dokumentation aus dem Jahr 2003 stellt dabei die erste Phase dar. Der Kameramann Florian Schilling begleitete die "Human Shields"-Aktivisten auf ihrer Reise durch Europa. Für das Spielart-Festival 2015 in München erstellten Hörstmann und Hirn auf Basis des Filmmaterials eine Videoinstallation. Am vergangenen Montag konnte man sich im Werkstattkino einen Einblick verschaffen, wie das Finale des Projekts als Theaterstück aussehen könnte. "Sebastian Hirn fand lange keinen Anknüpfungspunkt für unser Filmmaterial. Heute halten wir das Thema für hochaktuell - man bedenke die Flüchtlingsbewegungen und andere politische Krisen sowie den IS, der ebenfalls eine Art von menschlichen Schutzschilden einsetzt", sagt Hörstmann.

Über die Theaterperformance, die von Donnerstag an mehrere Abende in einer alten Farbenfabrik zu sehen sein wird, wollen die beiden Künstler noch nicht viel verraten. Die Besucher erwartet die Möglichkeit, mit Schlüsselfiguren der Friedensaktion direkt in einen Dialog zu treten. Der norwegische Soziologe Geir Angell Øygarden, der sich damals inkognito der Bewegung angeschlossen hatte, wird anwesend sein, ebenso wie die Irakerin Namaa al Ward, eine ehemalige Teilnehmerin der "Human Shields". Zusammen mit Naseem Al-daghstany, einer irakischen Künstlerin, tragen sie regimekritische Gedichte vor.

"Outposts Of Resistance" folgt keiner stringenten Handlung, sondern will das Grauen des Irakkrieges assoziativ durch Schauspiel, Tanz und Musik darstellen. Die Friedensaktion selbst mag zwar gescheitert sein, doch soll mit der Performance die Aufopferungsbereitschaft ihrer Teilnehmer gewürdigt werden.

Outposts Of Resistance, Donnerstag, 24. November, 20 Uhr, Plinganserstraße 52 (Rückgebäude), www.outpostsofresistance.net

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: