Nun also auch ein Theater. Die ukrainischen Schauspielhäuser, kriegsbedingt alle geschlossen, waren von den russischen Luftangriffen bisher weitgehend verschont geblieben. In Charkiw sollen einige beschädigt worden sein. Aber nun wurde in Mariupol offenbar ein Theater zerstört, bis auf die Grundmauern zerbombt: das Donezker Regionale Dramatheater, in dem wohl Hunderte schutzsuchende Zivilisten Unterschlupf gefunden hatten. Der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" zufolge sollen sich in dem Theater mindestens 500 Zivilisten aufgehalten haben. Der stellvertretende Bürgermeister Serhij Orlow sprach in der BBC von 1000 bis zu 1200 Menschen. Wie viele von ihnen bei dem Angriff am Mittwochabend getötet oder schwer verletzt wurden, darüber gab es noch keine konkreten Angaben. Einer unbestätigten Twitter-Nachricht zufolge soll eine größere Anzahl von Menschen in einem Luftschutzbunker des Theaters überlebt haben.
Es gibt von dem 1960 im neoklassizistischen Stil erbauten Haus im Herzen der Stadt Vorher-nachher-Bilder, auf Twitter gepostet vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba: Das propere Gebäude mit dem weißen Säulenportal und dem Relief einer heiter einherschreitenden und musizierenden Figurengruppe auf dem Vordergiebel ist nach dem Bombardement - nun aus einer anderen Perspektive - ein rauchender Trümmerhaufen. Laut Kuleba ist es vollständig zerstört. Ein apokalyptisches Bild. Zwei Tage zuvor aufgenommene Satellitenfotos des US-Unternehmens Maxar Technologies zeigen, dass es an beiden Frontseiten mit der Warnbotschaft "Kinder" markiert war, auf Russisch in riesigen, von oben gut sichtbaren Lettern auf das Pflaster gemalt.

Wer Theater bombardiert, greift die Kultur per se an, mit Schutzsuchenden darin ist das noch perfider. Der Stadtrat von Mariupol sagte in einem Statement, dass die russischen Streitkräfte das Theater "absichtlich und zynisch" zerstört hätten. Kuleba twitterte von einem "weiteren entsetzlichem Kriegsverbrechen in Mariupol". Russland dementiert den Angriff jedoch und wütet indessen weiter in Mariupol. Auch ein Schwimmbad mit schutzsuchenden, teils schwangeren Frauen und Kindern soll angegriffen worden sein.