Theater:Kämpfen bis zum Schweigen

Achternbusch

Filmemacher, Dramatiker, Denker: Herbert Achternbusch auf dem Viktualienmarkt.

(Foto: Regina Schmeken)

Herbert Achternbuschs bislang letzter, sperrig-fordernder Text wird uraufgeführt: Berliner Theatermacher inszenieren ihn für das erste Arkadien-Festival in Ebersberg.

Von Anja Blum

Dass einer wie Herbert Achternbusch nicht einfach schwärmt vom alten Sehnsuchtsort Arkadien, kann kaum verwundern. Ist der Münchner Autor und Filmemacher doch vielmehr bekannt für provokante, teils absurde Werke voller Schrecken. Trotzdem hat er sich mit Arkadien, mit dessen griechischen Denkern und Göttern, auseinandergesetzt. Allerdings ist es ihm "nicht der Landstrich des Elysiums, es ist das Bärenland, wo es vieles nicht gibt, was man sich erträumen möchte". So schreibt Achternbusch jedenfalls im Vorwort zu seinem Theaterstück "Arkadia". Und weiter: "1971 fuhr ich vom Meer hinauf. Da war es: Nach einem Gewitter leuchtete das Land zufrieden. Selbst meine Frau war zufrieden. Die Kinder freuten sich schreiend. Auch ich war zufrieden und schwieg."

Versöhnliche Worte, die mit einem Schweigen enden: "Arkadia" ist bislang Achternbuschs letzter veröffentlichter Text. Danach verstummte er, und es steht wohl nicht zu erwarten, dass der 80-Jährige das Wort noch einmal ergreift. Doch sein "Arkadia" wird nun das erste Mal das Licht der Welt erblicken, uraufgeführt wird das Stück bei einem Arkadien-Festival des Kunstvereins in Ebersberg. Die Berliner Theatermacher Werner Waas und Lea Barletti bringen Achternbuschs Werk dort am Samstag, 9. März, auf die Bühne - nachdem er es lange mit sich herumgetragen habe, wie Waas erzählt.

Er kennt Achternbusch sehr gut und schon viele Jahre, war für einige Erstaufführungen und Kunstausstellungen des Münchners in Italien verantwortlich. "Vor etwa zehn Jahren dann hat er mir diesen Text in die Hand gedrückt", erzählt Waas. In der Folge habe er mehrere Versuche gestartet, sich dem Stück zu nähern, habe es mit Freunden gelesen, mit Kollegen "angeprobt". Doch irgendwie seien diese Initiativen immer ins Leere gelaufen, der rechte Schlüssel, so scheint es, war einfach nicht zur Hand. Fest steht: Herbert Achternbuschs Auseinandersetzung mit dem Topos Arkadien ist höchst sperrig. Waas bezeichnet sie gar als Kampf. Nicht umsonst wollte bislang niemand das Werk auf die Bühne bringen, obwohl es längst veröffentlicht ist.

Doch in seinem Fall habe sich das Verhältnis zum Stück mittlerweile gewandelt, so Waas, diesmal sei er ganz bei der Sache - vielleicht habe das etwas mit dem Älterwerden zu tun? Für den Berliner Schauspieler jedenfalls hat "Arkadia" von Achternbusch etwas Testamentarisches: Der Text sei angesiedelt irgendwo in dem wüsten Land zwischen Leben und Tod, verströme eine große Müdigkeit, wirke wie ein Abschied vom Leben und Denken. "Ich will ja nicht so tun, als hätte ich was zu sagen", lautet der letzte Satz im Stück. Ein Alter Ego des Autors Achternbusch spricht ihn aus.

Eine Handlung im eigentlichen Sinne gibt es nicht: Es treten auf Alkibiades und sein Lehrer Sokrates, sie sind auf ihrer letzten Reise nach Olympia und wohl schon lange tot. Aber das Denken geht noch weiter, es zersetzt unerbittlich alles, was ihm über den Weg läuft, radikal, unvorhersehbar. Achternbusch treibt die Gedanken zügellos voran, bis hin zur Unverständlichkeit, zur Selbstauflösung, zum Erlöschen des Wortes in schwarzer Finsternis. Als "eine Reise ins Nichts, mit Göttern, Denkern, Tieren, Wolken Bauten, Flüssen und viel Bier" wird das Stück in Ebersberg angekündigt. Aha.

Über Axel Tangerding vom Meta Theater in Moosach lernten Waas und Barletti Peter Kees kennen, Aktionskünstler und Initiator des ersten deutschen Arkadien-Festivals mit Kunst, Performances, Vorträgen, Diskussionsrunden und vielem mehr. Da war die Kooperation für diese Uraufführung schnell nur noch eine Formsache. Auch Achternbusch selbst habe "nicht schlecht gestaunt" angesichts eines solch unvermuteten, ambitionierten Unterfangens im Münchner Umland, erzählt Waas, "und wäre er nicht absolut transportunfähig, würde er sicher kommen."

Die Inszenierung bezeichnet Waas als minimalistisch. Es gebe nur zwei Darsteller in Doppelrollen, ihn selbst und Harald Wissler, auf Achternbuschs Wunsch hin kämen schlichte Masken zum Einsatz, die Szene sei ein tempelartiger, ritueller Ort. Den Text bezeichnet Waas als hart und rau, die Themen als kompliziert, es gebe keinen Frieden, nur ab und an scheine die Idee von Schönheit auf. "Diese Sprache verfliegt wie Wolkenfetzen, ist oft unvollständig, entzieht sich dem logischen Verstehen. Deswegen geht es hier eher um ein kontemplatives Zuhören, um ein Sich-Hingeben." Dann nämlich könne "Arkadia" dem Zuschauer ein sehr intensives Erlebnis bescheren. Ziel der Inszenierung sei, die richtige Atmosphäre für Offenheit und Intimität zu schaffen - "und diese außergewöhnliche Galerie könnte genau der richtige Ort dafür sein. Ich bin jedenfalls sehr guter Dinge", sagt Waas. Na dann, auf nach Arkadien - nein, Ebersberg!

Wo bitte, geht's nach Arkadien?, Ausstellung und Festival des Kunstvereins Ebersberg in der Alten Brennerei, Im Klosterbauhof 6, Eröffnung am Freitag, 8. Februar, 19 Uhr; Uraufführung "Arkadia", Samstag, 9. März, 19 Uhr; alle Infos unter www.kunstvereinebersberg.de

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