Theater im HochX:Geschichte - ein Spiel

"Futur II Konjunktiv" mit ihrem Stück über Displaced Persons

Von Eva-Elisabeth Fischer

Drei Tische, darauf Overheadprojektoren und ein Kassettenrecorder, begrenzen die Spielfläche des HochX. Drei Akteure entwirren die Knoten des über die gesamte Rückseite des Raumes fallenden Fransenvorhangs und bringen so symbolisch ein wenig Licht in eine opake Geschichte. Dann streichen sie dessen seidige Fäden glatt. Letztere rastern die Bildprojektionen dahinter derart, dass sie sich dem Betrachter nur schwer zu konkreten Bildern fügen. Vor allem aber suggerieren sie deren historische Ferne.

Hinzu kommen gegen Ende zweier tatsächlich spielerischer Stunden noch einige überdimensionierte Karteikästen aus Holz und deren Inhalt zum Einsatz: schwarz gerahmte Fotografien jener Männer, Frauen und Kinder, um die es in diesem Dokumentarstück geht: Die Übriggebliebenen, auf Hebräisch Schearit Hapleita genannt, die jüdischen Displaced Persons (DPs), die nach 1945 als staatenlose, osteuropäische Flüchtlinge in deutschen Lagern ihrer Ausreise in die USA oder Israel harrten. Föhrenwald nahe Wolfratshausen, zum Beispiel, wurde 1956 aufgelöst, von der Erzdiözese München-Freising aufgekauft, in Waldram unbenannt - ganz so, als hätte es das DP-Lager und seine auch nach 1945 von ehemaligen Nazi-Ärzten, von der Polizei und vor Gericht schikanierten Bewohner nie gegeben. Einziger Erinnerungsort: Das dank eines Bürgervereins erhaltene Badehaus. Diese Lager, sie waren rettende Atolle für die Traumatisierten, die zumeist in der Sowjetunion überlebt, aber oft genug ihre Familien verloren hatten, in einer fremden, ja feindlichen Umgebung. In ihren provisorischen Schtetl lebte jiddisches Leben und jiddische Kultur kurz neu auf.

Wenn ein Regisseur und ein Autor unter dem Namen Futur II Konjunktiv firmieren und sich als Theaterkollaborativ bezeichnen, ist wahrscheinlich alles, was sie tun, komplex. Johannes Wenzel und Matthias Naumann betrachten ihr variables Kollektiv als Aufforderung, gemeinsam eine ansprechende Theaterform für ihre politischen Recherchen zu finden. Dem Theaterstück "Nicht von hier irgendwo" gingen intensive Recherchen mit dem Fritz Bauer Institut, der Shoah Foundation und Zeitzeugen voraus - unter ihnen auch Rachel Salamander, die als Kind bis 1956 in Föhrenwald lebte, bevor die Familie nach München umgesiedelt wurde.

Alexandra Finder, Friedericke Miller und Johannes Suhm schlüpfen in "Nicht von hier irgendwo" in die Rollen einzelner DPs, würfeln aus, wer was in der Ich-Form erzählt oder auch mal in der dritten Person Singular an Allgemeinem über die ärmlichen und beengten Verhältnisse im Lagern berichtet. Sie schaffen es tatsächlich, aus biografischen Bruchstücken ein vielgestaltiges Mosaik von der Existenz der zufällig in Deutschland Gestrandeten zu entwerfen. Jiddische Gedichte vom Band zeugen von der Auslöschung einer Sprache, einer ganzen Kultur. Und vermitteln unausgesprochen, dass es Flüchtlingen von heute in vielem ähnlich ergeht wie den Ostjuden, die unter anderem vor den Nachkriegs-Pogromen in Polen Richtung Westen fliehen mussten.

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