Theater:Ich bin nicht immer in Geberlaune!

Theater: In "Service/No Service" ist zum letzten Mal eine Bühne des jüngst verstorbenen Bert Neumann zu sehen - typisch der schwarze Lamettavorhang.

In "Service/No Service" ist zum letzten Mal eine Bühne des jüngst verstorbenen Bert Neumann zu sehen - typisch der schwarze Lamettavorhang.

(Foto: Leonore Blievernicht)

Internationaler Glamour gegen Ostberliner Wahlfamilie: René Polleschs "Service/No Service".

Von Mounia Meiborg

Eigentlich fehlt nur noch Bruce Willis. Die Actionfilmmusik ist in vollem Gang, man spricht von Apokalypse, die Nebelmaschine läuft auf Hochtouren. Aus den Schwaden müsste jetzt Bruce Willis hervorkommen und die Welt retten. Aber dies ist kein Hollywoodfilm, sondern die Berliner Volksbühne. Deshalb rennen die Schauspieler in Superman-Kostümen über die Bühne und reden darüber, dass sie als Künstler nicht mehr so wichtig sind wie früher.

"Service/no service" heißt das neue Stück von René Pollesch. Natürlich will der Abend den Zuschauern jeden Service verweigern: Sitzplätze zum Beispiel (abmontiert und durch eine abschüssige Asphaltfläche ersetzt), fertige Gedanken und eine Lösung für all die angerissenen Dilemmata. Es geht, wie immer bei Pollesch, um die Verstrickungen des modernen Individuums; diesmal am Beispiel der Theaterzunft. Kathrin Angerer gibt eine Schauspieldiva, die mitten im Monolog von der Bühne abgegangen ist: "Ich bin eben nicht immer in Geberlaune!" Ingmar Bergmans Film "Persona" wird zitiert; nur dass die Schauspielerin hier nicht schweigt, sondern in den üblichen Dauerschleifen über ihre Befindlichkeiten spricht.

Ein Chor aus 16 jungen Männern verkörpert mal ein Inszenierungs-Kollektiv, mal einen autoritären Regisseur. Die Darsteller - neben Kathrin Angerer sind Maximilian Brauer, Daniel Zillmann und Franz Beil zu sehen - reden sich mit ihren Vornamen an und spielen inmitten der Zuschauer. Es geht um verpatzte Auftritte, lahme Vorstellungen und Arbeitshierarchien. Ein dahingeplaudertes Making-of, das mit Anspielungen auf griechische Tragödien, Shakespeare-Stücke und Peter Brook auch Theatergeschichte erzählen will.

Aber vor allem geht es um die Zukunft. "Dieses Haus könnte sich endlich mal selbst gentrifizieren!", ruft der Chor. Auch Cocktail-Pausen wären schön, hört man. Da wird der Abend zum bissigen Kommentar auf die Berliner Kulturpolitik, die der Ära Castorf im Jahr 2017 ein Ende macht. "Service", lernen wir, steht für die neue Volksbühne unter Chris Dercon; "no service" für die alte, Castorfsche Volksbühne. Die Fronten sind klar: Internationaler Glamour gegen Ostberliner Wahlfamilie, Kalkül gegen Herz, Cocktails gegen Kunst. Es ist ein plumper Selbstbestätigungsreflex - und damit genau der "Service", der eigentlich angeprangert werden soll.

Fürs Atmosphärische ist allein die Musik zuständig

Dabei hat man an diesem Abend durchaus Grund, wehmütig zu werden. Zum letzten Mal ist eine Bühne des im Sommer verstorbenen Bert Neumann zu sehen. Und sie versammelt noch mal einige seiner Markenzeichen: den Lametta-Vorhang, der das Bühnenrund umspannt, diesmal schwarz-glänzend. Die billigen weißen Plastikstühle. Und ein leuchtendes, merkwürdiges Vieleck, das ohne irgendeinen Zweck vom Bühnenhimmel schwebt.

Inhaltlich bleibt der Abend dünn. Die Entfremdung des Einzelnen von der Welt ist kurz Thema. Der Rest ist Selbstbespiegelung, die noch nicht mal lustig wird. Fürs Atmosphärische ist allein die Musik zuständig. Morrissey, Birdy und Fatboy Slim werden aufgedreht. Was Emotionen angeht, war Pollesch ja schon immer Parasit. Was wäre ein Pollesch-Stück ohne Popmusik? Diesmal eine ziemlich trostlose Veranstaltung.

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