Süddeutsche Zeitung

Theater:Handgemachter Wahnsinn

Im Tams wird Philip Ardaghs Roman "Schlimmes Ende" zum Puppentheater für die ganze Familie

Von Sabine Leucht

Zwei Schauspieler, zwei Wärmflaschen, drei Puppen, eine gelenkige Tischlampe und ein paar Pappkartons auf einem rollbaren Tisch sind die Zutaten für einen herrlich-schrägen Theaterspaß im Tams. Das kleine Schwabinger Hinterhoftheater lädt zur Vorweihnachtszeit die ganze Familie ein, Eddie Dickens, seinen wahnsinnigen Onkel Jack und die noch wahnsinnigere Tante Maud kennenzulernen, mit denen der Junge einer ungewissen Zukunft entgegenzieht, nachdem seine Eltern sich eine Krankheit eingefangen haben, bei der sie gelb werden und "merkwürdig wellig an den Rändern".

Ja, zuckerbäckerweihnachtlich ist es nicht, was sich Philip Ardagh in "Schlimmes Ende" zusammengesponnen hat: Einem 2002 von keinem Geringeren als Harry Rowohlt ins Deutsche übersetzten Buch, das an Charles Dickens und Monty Python erinnert und den Begriff "Englischer Humor" neu definiert. Doch der vielseitige Lorenz Seib und die wunderbare Puppenspielerin Tine Hagemann packen die Seltsamkeit ihrer Vorlage beherzt am Wickel und konfrontieren Menschen, die sich nicht vorstellen können, wie die "Ränder" anderer Menschen "wellig" werden, mit zwei sprechenden Wärmflaschen, die man recht schlecht versteht, solange sie noch den Pfropfen im Ausguss - äh - Mund haben.

Der Dreiviertel-Arm-lange Eddie, seine langgesichtige Tante mit den türkisumrandeten Augen und der stirnlose Onkel sind von Seib und Hagemann kreierte Puppen, die den Geist der Buch-Illustrationen atmen. In einer aus Pappkartons immer wieder neu improvisierten Kulisse lassen die beiden Puppen- und Schauspieler mit höchster Präzision und gerade so viel Entspanntheit, wie sie der von ihnen angerichtete und von Andrea Kilians "Endregie" mit dem letzten Schliff versehene Wahnwitz zulässt, ein ganzes Arsenal denkwürdiger Charaktere entstehen: Falsche Zähne und eine windschiefe Körperhaltung ergeben ein enorm unappetitliches Wirtspaar, fette Armpolster nebst strähniger Perücke die Waisenhaus-Leiterin "Grausam-Unsäglich", eine Maske den Chef einer Bande "streunender Theaterleute". Als Schauspielerpaar, das sich anfangs unter anderem über die Vollwertigkeit seiner Kostüme streitet (Claudia Karpfinger hat ihnen hautfarbene Ganzkörperunterwäsche über schicken schwarzen Schuhen verpasst), werfen die zwei auch immer wieder mal verwunderte Blicke auf die Geschichte selbst oder klären, wer als das Pferd einspringen kann, das an Jacks Kutsche fehlt.

Dieser Abend hat eine bezaubernde Leichtigkeit, auch wegen des Ohrwurms vom schließlich doch nicht so schlimmen Ende - und den Charme des Handgemachten, was dann doch wieder zu Weihnachten passt. Auf keinen Fall verpassen!

Schlimmes Ende, bis 23. Dezember, Freitag bis Sonntag, 17 Uhr, Tams, Haimhauser Str. 13 a

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Quelle:
SZ vom 04.12.2018
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