Theater:Ein Vergnügungspark für Schlossgespenster

Theater: Who Ya Gonna Call? Schlossbusters!

Who Ya Gonna Call? Schlossbusters!

(Foto: Roman Hagenbrock)

Im Theatersaal des Ballhaus Ost in Berlin lässt das Künstlerkollektiv copy&waste das kulturhistorische Personal der letzten Jahre aufmarschieren, um allerlei Geister zu beschwören.

Von Jens Bisky

Hannah Arendt steht im Tor, für sie stürmen, je nach Lage und mit heißem Bemühen, Romy "Sissi" Schneider, Roger Willemsen, Bert Neumann, Heiner Müller und einige Eminenzen mehr. Sie müssten längst gewonnen haben, doch am Torhüter der gegnerischen Mannschaft ist schwer nur vorbeizukommen. Da wacht der "schiefe Fritz", außerhalb Berlins als Friedrich I. bekannt, erster König in Preußen. Der königliche Prominenten-Tischkicker steht auf der Empore des Theatersaals im Ballhaus Ost und ist Teil eines Vergnügungsparks, den das Künstlerkollektiv Copy & Waste aufgebaut hat, um allerlei Gespenster der jüngeren und der nicht mehr so jungen Stadtgeschichte zu beschwören: "Who Ya Gonna Call? Schlossbusters" wird im April noch mehrfach gegeben.

Ob einer nun Schlossfreund ist, um den Palast der Republik trauert oder Mitte sowieso nicht betritt, erst recht nicht die sogenannte "historische": Der Abend bietet jedem das wohlig vertraute Berlin-Gefühl aus Inszenierung, Vorglühen fürs Nachtleben und Mitreden: Weißt du noch? Guck mal! Echt jetzt? Ach nee.

Während über Lautsprecher ein Hörspiel läuft - satirisch, aber tut keinem weh, niemals -, sind verschiedene Stationen zu absolvieren. Eine weiß Gewandete verrenkt sich in einem Bühnen-Palast, zu ihren Füßen rollt ein Schloss-Modell (die "weiße Frau" soll immer dann erschienen sein, wenn im Hause Hohenzollern ein Todesfall bevorstand); die Stufen hinauf im Preußen-Restaurationsbüdchen führen vorbei an der Prinzessinnengruppe zu einer Spiegelsaal-Attrappe; eine Galerie der Schande präsentiert Opfer politischer Morde; Eisbär Knut schaut vorbei, Tarotkarten wollen gedeutet werden; man kann auch beim "Asbest-Yoga" mitmachen oder Filmchen schauen oder eben kickern.

Nützliche Information im Hörspiel: Der Bau des Republikpalastes dauerte 32 Monate, sein Abriss 34. In die von Asbest befreiten Volkshausgebäudereste hätte der Vergnügungspark gut gepasst. Aber heute? In der Gegenwart, in der unübersehbar ein Betonriese mit Kuppel auf dem Schloss steht und die Geister des Humboldt-Forums vergeblich beschworen werden? Im Ballhaus Ost? In der Pappelalle, wo die Rollkoffer der Ferienwohnungsgäste, das Prosit der Touristen vor den Spätis und allerlei Verschönerungsmaßnahmen den Sound der Gentrifizierung ergeben?

Auf der Empore grüßt auch das Kanzler-Basta: Der Palast ist hässlich. Das Schloss ist schön. Ich bin für das Schloss. "Gerhard?", denkt man, "Schröder? Müsste man mal googlen." Wahrscheinlich gehört auch das zu Berlin, dass Diskussionen hier in Endlosschleife weitergeführt werden, auch wenn die Wirklichkeit, auf die sie sich einmal bezogen haben, verflogen ist, eingegangen ins Geisterreich. Auf den Yoga-Matten wechseln sie aus dem "herabschauenden Schloss" in die "Bauplanke". Jetzt könnte Heiner Müller endlich mal ein Tor schießen.

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