Theater:Ein beinhartes Geschäft

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Das matte Fußballdrama "Der rote Löwe" am Nürnberger Staatstheater

Von Florian Welle, Nürnberg

Das Staatstheater in Nürnberg hat ein Genre für sich entdeckt, das sonst nirgendwo zur Aufführung kommt: das Fußballdrama. In der letzten Spielzeit ließ man sich von Albert Ostermaier "Linke Läufer (Erster Sein). Ein Requiem für Jenő Konrad" schreiben - eine Hommage an den jüdischen Trainer Konrad, der von 1930 bis 1932 den 1. FC Nürnberg betreute, ehe ihn eine Hetzkampagne der antisemitischen Wochenzeitung Der Stürmer zum Rücktritt und ins Ausland zwang.

Nun war am Wochenende "Der rote Löwe" in der Inszenierung von Klaus Kusenberg als deutschsprachige Erstaufführung im Staatstheater zu sehen. Just zu dem Zeitpunkt, als der Fußball in Berlin wieder einmal für Negativschlagzeilen fern des Rasens sorgte. Was ja in letzter Zeit häufiger der Fall ist: Fan-Ausschreitungen, Fifa-Skandal, Football-Leaks. Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her, warum also sollte es in den unteren Ligen recht viel anders zugehen als im Profifußball. Stichwort: Vorbildfunktion. Das realistische Sozialdrama von Patrick Marber führt uns in eine englische Amateurliga, zu den "Roten Löwen". Dort arbeitet Johnny Yates, so etwas wie die Legende des Vereins. Erst ein beinharter Spieler, dann ein erfolgloser Trainer und schließlich ein aufopferungsvoller Zeugwart.

Anders der Trainer der Löwen. Jimmy Kidd ist jung, dynamisch, und er begreift Fußball als Geschäft. Mit einer nostalgischen Sicht auf den Sport, wie sie Johnny hat, kann er nichts anfangen. Er hält die Spieler zu Schwalben an, ist ein bisschen korrupt. Umso mehr, da er Schulden hat. Das Drama nimmt seinen Lauf, als der begnadete Nachwuchsspieler Jordan in die erste Mannschaft rückt. Der sympathische, etwas naive Junge kommt aus prekären Verhältnissen, wittert seine Chance, verbirgt allerdings, dass er mit Steroiden sein lädiertes Knie fit spritzt. Es setzt ein Geschachere um ihn ein, und Jordan gerät zwischen die Fronten. Jimmy will ihn unter der Hand zu einem anderen Verein lotsen und dafür Provision kassieren. Am Ende jedoch haben sich alle verspekuliert. Beim Medizin-Check fliegt Jordans Doping auf, ein Skandal mit Folgen.

Der durchkommerzialisierte Fußball bietet sich als Stoff insofern an, als das dortige Gebaren zeigt, was in unserer Leistungsgesellschaft alles schief läuft. Spieler werden heute gehandelt wie einst Sklaven. Andererseits darf man fragen, warum Menschen, die in kurzen Hosen einem Ball hinterherlaufen, so viel Geld verdienen. Fußball-Fan Marber legt mit seinem mitunter arg rührseligen Stück einen Finger in die Wunde. Zurückdrehen wird sich das Rad aber nicht lassen, und so geht einem die Verklärung der guten alten Zeit in Gestalt von Johnny Yates schnell auf die Nerven. Die gleichen Leute wettern auch gegen den Erfolg von RB Leipzig.

Dass Klaus Kusenberg auf der Kammerspielbühne das Thema auf zwei Stunden auswalzt, also quasi in die Verlängerung geht, macht es nicht spannender. Außer man ist ein ausgewiesener Fußballnarr. Die ganze Zeit über blickt man in eine Umkleide mit alten Spinden und einer Massageliege. Die (Schau)Spieler allerdings, die hier auflaufen, geben ihr Bestes. Allen voran Marco Steeger brilliert als Jimmy, indem er aus dem Trainer in schickem Zwirn eine Karikatur heutiger Coachs macht: adrenalinbefeuert, scheinheilig, von Ehrgeiz zerfressen.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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