Theater:Dr. Eskapismus

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Hans Sigl, der kürzlich 50 wurde, tritt in seinem neuen Programm als Berufsjugendlicher auf. (Foto: Susanne Sigl)

Der "Bergdoktor" Hans Sigl in der Komödie

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Ja, der Hans, der kann's. Er hat den Schauspielerberuf von der Pike auf gelernt, wie man in seinem Solo "Auf einmal war ich Arzt" erfährt. Da schmeißt du dich weg vor Lachen, bei diesem Kassenrenner vom vorigen Jahr, jetzt wieder aufgelegt in der Komödie im Bayerischen Hof vor johlenden Leuten. Jede Anekdote ein Treffer, jedes Extempore ein lustiger Umweg direkt ins Ziel. Zur verbrieften Existenz des Schauspielers Hans Sigl gehört auch ein Operettendiplom, das, seinen Sangeskünsten nach zu schließen, ein Jodl-Diplom durchaus mit einschließt. Selbst an der Stange stand der gebürtige Steirer in seinen Lehrjahren in Innsbruck - im Kinderballett. Zu der Zeit, mit Mitte 20, war er schon der Prackl von heute: 1,90 lang und plus minus 100 Kilo schwer. Der Arztberuf wuchs ihm erst später zu, im ZDF, als "Bergdoktor" auf einer Tiroler Alm unterm Wilden Kaiser. Dort kuriert er als Doktor Martin Gruber, nun bald in der 13. Staffel, die seltensten Krankheiten, nur das eigene Gefühlschaos nicht.

So lieben ihn die Leute. Und diese Liebe flutet ihm auch entgegen, wenn er in der Komödie im Bayerischen Hof als das auftritt, wozu ihn Talent und Theater prädestiniert haben: als Entertainer, wie man einstmals den Comedian nannte, als ein verbales Schnellfeuer-MG, dazu dialektfest von Süd nach Nord, als Alleinunterhalter mit Gitarre um den Hals und fabelhafter Fünf-Mann-Band im Hintergrund. Drei Tage nach den Todesschüssen an Jom Kippur in Halle sagt er erst einmal an, was Sache ist: Er betreibe an diesem Abend vor 500 Leuten Eskapismus. So spricht er sie an, die Fans im Publikum, bedacht auf menschliche Wahrhaftigkeit, und gibt ihnen unwiderstehlich charmant gleich eine mit. Handy? Das schalten wir jetzt gemeinsam ab.

Die politische Folie bleibt und hält als omnipräsenter Subtext "Auf einmal war ich Arzt" zusammen. Denn Sigl wuchs auf gleich neben Jörg-Haider-Land samt den rechten Parolen der FPÖ und wurde so politisch gegen Rechts imprägniert.

Nach solch doppeltem Boden fahndet man in Sigls neuem Programm "Das Leben ist kein Placebo" vergeblich. Die Regenbogenpresselügen über ihn, die vorher in Endlosschleife vorüber gleiten, fertigt er mit dem Satz "Mobbing von Menschen des öffentlichen Lebens" ab. "Mir geht's gut", sagt er und wendet sich den Wegmarken (s)eines jetzt 50-jährigen Lebens zu: dem männlichen Ego, der Liebe, der Familie, der Abneigung gegen alles Digitale. Aber dann, Tusch und Trara, der obligatorische "Überraschungsauftritt" von Kollege Mark Keller, im "Bergdoktor" komödiantischer Klinikarzt, als Künstler ein Crooner von höheren Weihen. Keller und Sigl, zwei Klamottenhengste als Dean-Martin-Jerry-Lewis-Blödel-Duo, lassen auch den nicht aus, den Witz mit dem längsten Bart. Ans "Placebo" aber muss Dokta Gruber, äh, Hans Sigl noch mal ran. Sonst wirkt es nicht. Sigl als Sigl trifft man bald wieder in der Komödie bei einem "Wohnzimmerabend". Dulli!

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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