Theater:Die Burg ruft

Designated director of Austria's Burgtheater theatre Kusej addresses a news conference in Vienna

Der Publikumserfolg am Münchner Residenztheater dürfte einer der Gründe sein, weshalb Kušej nun nach Wien berufen wird,

(Foto: REUTERS)

Regisseur, Bauchmensch und Bezwinger der wichtigsten Burg Österreichs: Martin Kušej, derzeit Intendant am Münchner Residenztheater, wechselt nach Wien.

Von Egbert Tholl

"Theatermacher. Bühnendenker. Bilderprovokateur. Regisseur." So beschreibt sich Martin Kušej selbst auf seiner Homepage. Was er dabei vergessen hat: Österreicher. Vermutlich jeder österreichische Theatermacher hat eine große Sehnsucht, nämlich die, einmal ein Haus in Wien zu leiten. Und wenn Wien, dann die Burg. Kušej hat dies nun geschafft. Am 1. September 2019 wird Kušej Burgtheaterdirektor, besteigt also einen Posten, der in der öffentlichen Wahrnehmung in Österreich noch über dem des Bundespräsidenten rangiert. Zumindest sagen das jene, die es gern wären.

Die Entscheidung für Kušej, geboren 1961 in Kärnten, war derart naheliegend, dass sie geradezu unwirklich anmutet. Seit 2013 ist er Regieprofessor am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, er hat regelmäßig an der Burg inszeniert, als dort Nikolaus Bachler Direktor war (1999 bis 2008), der inzwischen die Bayerische Staatsoper leitet. Dessen Intendanz wurde 2008 mit Kušejs Inszenierung von Verdis "Macbeth" eröffnet. Mehrmals wurden Inszenierungen Kušejs zum Theatertreffen eingeladen, etwa der "Weibsteufel" mit Birgit Minichmayr, eine Produktion, die er später vom Burgtheater nach München mitnahm, als er dort Intendant des Residenztheaters wurde.

Eigentlich hätte Kušej in München noch seinen Vertrag zu erfüllen

Seine letzte Premiere an der Burg fand im Dezember 2016 statt, Arthur Millers "Hexenjagd", eine Inszenierung, mit der er nach acht Jahren Burg-Absenz zurückkehrte und die von vielen als die finale Bewerbung um die Leitung des Hauses empfunden wurde. Als 2006 Matthias Hartmann als Nachfolger Bachlers an der Burg verkündet wurde, ließ Kušej verlauten, fürderhin dem Haus und gleich allen Theatern Österreichs den Rücken zu kehren. Zu dieser Zeit leitete er das Schauspielprogramm der Salzburger Festspiele und hatte sich wohl Hoffnung auf die Burg-Direktion gemacht.

Eigentlich hätte Kušej in München noch seinen Vertrag zu erfüllen. 2011 wurde er Intendant des Münchner Residenztheaters, was vier Jahre zuvor schon feststand, sein Vertrag wurde bis 2021 verlängert. Doch wenn die Burg ruft, sind solche Verträge plötzlich nicht mehr das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind - ein in der Branche allgemein üblicher Vorgang. Am Residenztheater fährt Kušej gerade Rekordauslastungen ein, was auch ein bisschen damit zusammenhängt, dass die Münchner Kammerspiele, das zweite große Haus der Stadt, mit ihrem Kurs des unabwägbaren Experiments eher traditionell gesinnte Theaterliebhaber ins staatliche Schauspiel treiben.

Der Publikumserfolg dürfte einer der Gründe sein, weshalb er nun nach Wien berufen wird - an ein Haus, an dem Karin Bergmann gerade unverdrossen und durchaus erfolgreich versucht, aus den Trümmern der Ära Hartmann ein konsolidiertes Arbeiten wiedererstehen zu lassen. Leichter als in München wird es Kušej in Wien nicht haben.

Das Residenztheater war seine erste Intendanz, den Job musste er, inzwischen auch als Opernregisseur sehr gefragt, erst einmal lernen. In der Anfangszeit in München berief sich Kušej immer wieder auf seine Erfolge als Regisseur, weniger auf die als glückhafter Theaterleiter. Manchmal erinnerte sein Verhalten an die Zeit, als er in Österreichs Bundesliga Handball spielte; er konnte aufbrausen und verriet ein zuweilen skandalös autokratisches Verständnis von Presse und Kritik. Manche Schauspieler kamen mit seinem Temperament nicht zurecht und suchten das Weite. Andere lieben ihn bis heute.

Kušej ist ein Bauchmensch mit hoher Impulsivität, er ist unverbrüchlich treu gegenüber Weggefährten, kocht gerne und entwickelte in den vergangenen Jahren ein großes Interesse an politischen Inhalten und Regisseuren aus Osteuropa. Er selbst inszeniert gerne mit ostentativer Härte, verachtet performative Experimente, engagiert zwar Frank Castorf, seziert selbst aber lieber Texte und glaubt an die Kraft von Theater.

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