Kurz bevor Wolf Kaiser in Berlin aus dem Fenster sprang, saß er 1992 in der Kantine des Berliner Ensembles. "Ich habe dreißig Jahre unverfremdet gespielt und keiner hat's gemerkt." Er war bei Bertolt Brecht in allen großen Rollen besetzt und stolz darauf, dem Erfinder des Verfremdungseffekts einen Streich gespielt zu haben. Zwar hatte er versucht, die Zuschauer zu bewegen, für eine Gesellschaft des Besseren zu streiten, wie es sich Brecht wünschte; aber er hatte den Zuschauern vermittelt, dass ein naturalistisch spielender Schauspieler nicht weniger bedeutend sei als Brechts Ideal. Er ging auf Risiko, wenn es sein musste, gegen das Konzept des Regisseurs. In diesem Sinne war er subversiv - und am Ende verzweifelt, denn er spürte den Bedeutungsverlust des Theaters.
Theater nach Corona:Dann lieber scheitern
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Theater braucht Wagnis, davon erlebt man auf deutschen Bühnen gerade wenig. Das liegt vor allem am kleinbürgerlichen Angestelltenbewusstsein der Macher.
Gastbeitrag von Christoph Nix

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