Theater:Berlin in einem Meer aus Blut

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Dem Exil-Ensemble ist am Berliner Maxim Gorki Theater eine frappierend schlüssige Aufführung gelungen. (Foto: Ute Langkafel/MAIFOTO)

Heiner Müllers "Hamlet­maschine" am Maxim Gorki. Gespielt vom Exil-Ensemble.

Von Peter Laudenbach

Heiner Müllers "Hamletmaschine" ist ein schockgefrorenes Rätsel-Drama: Eine Selbstabrechnung des marxistischen Intellektuellen - "Wie einen Buckel schlepp' ich mein schweres Gehirn" -, die Absage an jeden Fortschrittsoptimismus, eine Shakespeare-Überschreibung und dunkler Hassgesang, vorgetragen vor den Ruinen von Europa: "Nieder mit dem Glück der Unterwerfung".

Dem Schwergewicht des Textes ist wohl nur mit der Leichtigkeit des Spiels beizukommen

Wohl keine Inszenierung kann den kondensierten Horror dieses knappen, nur neun Druckseiten umfassenden Textes aus dem Jahr 1977 einholen. Nun aber ist Sebastian Nübling - er ist sonst eher ein Regisseur für naiv verspielte Zugriffe - mit dem Exil-Ensemble aus geflüchteten Schauspielern am Berliner Maxim-Gorki-Theater eine frappierend schlüssige Aufführung gelungen.

Statt des zum Scheitern verurteilten Versuchs, den Text zu illustrieren oder psychologisch-realistisch bewältigen zu wollen, setzt er auf artistische Verfremdung und belässt ihn in genau dieser Fremdheit und Kälte. Eine Gruppe tänzelnder Clowns in bunten Seidenkostümen arbeitet sich vielsprachig durch den Text, ohne ihn mit Erklärungen, Emotionsunterfütterung oder theaterhandelsüblichen Weichspüler-Programmen zugänglich oder wenigstens weniger sperrig machen zu wollen. Stattdessen entwickelt das virtuose Exil-Ensemble mit Maryam Abu Khaled, Mazen Aljubbeh, Hussein Al Shateli, Karim Daoud, Tahera Hashemi, Kenda Hmeidan, Ayham Majid Agha, Schauspielern aus Syrien, Palästina und Afghanistan, einen grimmigen Witz: Dem Schwergewicht des Textes ist wohl auch nur mit der Leichtigkeit des Spiels beizukommen. Der Schrecken, den Müllers Tragödie festhält, ist für die Künstler aus Gewaltregionen alles andere als nur eine literarische Erfahrung.

Zwischengeschaltet sind neue Texte des syrischen Regisseurs, des hier mitspielenden Autors Ayham Majid Agha, er ist zugleich Kopf des Exil-Ensembles. Sein Text projiziert die Konstellationen und Gedanken der "Hamletmaschine" lakonisch in die Gegenwart, eine Shakespeare-Müller-Überschreibung also: "Hamlet: ein dänischer Prinz, der in Ost-Syrien geboren wurde, in Deir ez-Zor. Er verließ die Stadt nach 520 Tagen der Belagerung, während der sein Vater getötet worden war." Krieg und Ruinen sind hier keine Metaphern, sondern bilden Alltagsrealität ab, die literarischen Bilder knüpfen direkt und zwingend an Müllers Allegorien an: "Berlin ist eine Hafenstadt in einem Meer aus Blut, das bis Damaskus reicht."

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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