Theater:Abenteuer und Entdeckung

Rigoletto

Ina Yoshikawa als Gilda: ergreifende Studie einer versehrten Seele, großartig in Gesang und Darstellung.

(Foto: Jutta Missbach)

Das Staatstheater Nürnberg zeigt ein Projekt zu Beethovens "Leonore" im Dokumentationszentrum des Reichsparteitagsgeländes und Verdis "Rigoletto"

Von Egbert Tholl

Der Raum ist toll und vielleicht allein schon der Grund, weshalb das Projekt hier angesiedelt ist. Dieses trägt den Namen "Töt' erst sein Weib!" nach dem Ausspruch Leonorens, den diese dem mordhungrigen Kerkermeister entgegenschleudert. Also: Es geht um eine Aufführung von Beethovens "Leonore", der Urfassung des "Fidelio". Sie findet in einer riesigen Backsteinhalle, einer Kathedrale staatlicher Macht, im Dokumentationszentrum Reichparteitagsgelände statt.

Projekt heißt hier erst einmal: Es spielt das Orchester der Musikhochschule Nürnberg, es singt ein Projektchor, was man jeweils deutlich hört. Die Sänger sind vom Staatstheater Nürnberg respektive von dessen Opernstudio, was man wiederum auch hört, allerdings positiv, vor allen bei der Leonore selbst, Margarita Vilsone. Die hat auch eine wunderbare schauspielerische Präsenz, was im monströsen, den Stimmklang verzerrenden Hall des Raums für die Wirkung des Ganzen noch entscheidender ist als ihr glühendes Timbre. Denn Beethovens Oper ist hier ein Setzkasten mit vielen offenen Fächern, in die Schauspieler Texte von Murat Kurnaz (über seine fünf Jahre Guantanamo), Opfern staatlicher Willkür und Rudolf Höß einschieben. Daneben sprechen auch die Sänger, was je nach Besetzung - Sunggoo Lee (Florestan) oder Wonyong Kang (Pizzarro) - ein sprachlich etwas abenteuerliches Unternehmen ist.

Überhaupt Abenteuer: Die Aufführung kommt erst einmal daher wie eine freie Performance zu Gewalt und Gefängnishaft, am Eingang erfolgt eine Leibesvisitation, dann geht es zwischen Käfigen mit Gefangenen hindurch zu Ländlern von Wolfgang Rihm, geleitet von Guido Johannes Rumstadt. Am Ende der Auftritt des Ministers, er hält eine Rede mit Worten Steinmeiers, erklärt, man habe - gerade bezogen auf den Fall Kurnaz - stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Zwischen diesen Momenten, die wirken wie eine engagierte Studentenarbeit, wird das Publikum ein bisschen herumgescheucht und gibt es Beethoven, also Oper. Doch irgendwie beschleicht einen das Gefühl, "Leonore" - respektive "Fidelio" - wäre wirkmächtiger in diesem Raum, hätte Regisseur Stefan Otteni sich aufs Musiktheater beschränkt.

Das gibt es im Nürnberger Stammhaus in Form von Verdis "Rigoletto". Darin kann man, in der Besetzung der zweiten Aufführung, eine Entdeckung machen, Ina Yoshikawa als Gilda. Bis Ende der vergangenen Saison war sie noch Ensemblemitglied in Hannover, von Herbst an ist sie fest in Nürnberg. Ein Gewinn. In Yoshikawa geht das Konzept von Verena Stoiber auf, die Beziehung von Gilda zu ihrem Vater Rigoletto auch als eine belastend enge zu zeichnen. Gilda versehrt depressiv ihren Körper, Gilda opfert sich am Ende für Maddalena, die der schurkige Herzog mit der Waffe bedroht. Gilda ist sterbend eine lebendige Figur, mit aufgeschnittenen Pulsadern, Opfer des Vaters, eines traurigen Clowns und willfährigen Spaßmachers in des "Herzogs" Neureichenmischpoke.

Das Setting in einem liebevoll heruntergekommenen Innenhof ist zeitgenössischer Verismo, und so der Gesang Yoshikawas. Die Zerstörung von Gildas Persönlichkeit im Erkennen enttäuschter Liebe fährt ihr in die an sich schwerelose Stimme, macht sie dunkler, ergreifender - quasi Method Acting im Gesang. Sie trotzt mit künstlerischem Eigenleben den herzhaften Eruptionen von Marcus Bosch aus dem Graben. Ihre Sprachbehandlung ist fabelhaft knackig, plastisch, toll.

Verdis "Rigoletto" wieder am 17. Juni (1. Besetzung), "Töt' erst sein Weib!" wieder am 16. Juni, Staatstheater Nürnberg

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