"The Unknown Known" im Kino:Donald Rumsfeld, dramatisch unangreifbar

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The Unknown Known Donald Rumsfeld Errol Morris

Mehr als 30 Stunden hat Errol Morris (l.) den ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld interviewt - und konnte dessen Selbstgewissheit nicht erschüttern.

(Foto: Verleih)

An seinem Lächeln prallt der Blick ab. Errol Morris porträtiert den früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Der weicht vielen Fragen aus und wirft damit ein tragisches Licht auf die Weltpolitik.

Von Martina Knoben

Der lachende Mann ist eine berüchtigte Figur des dokumentarischen Kinos. Die DDR-Regisseure Walter Heynowski und Gerhard Scheumann hatten den als "Kongo-Müller" bekannten Söldner und Schlächter Siegfried Müller in einem Film porträtiert. Den muss man nicht kennen, um zu wissen, dass ein Lächeln mehr verbergen kann als Worte, dass es auch mehr erschrecken kann.

Donald Rumsfeld lächelt viel in Morris' Filmporträt. Aber was ist das für ein Lächeln? Der 81-jährige zweimalige amerikanische Verteidigungsminister (unter den Präsidenten Gerald Ford und George W. Bush), einer der Drahtzieher des "War on Terror", mitverantwortlich auch für die Folterungen in Guantanamo und Abu Ghraib, sieht im manchen Momenten wie ein netter älterer Herr aus, dann wie ein schlauer Fuchs und Staatsmann, manchmal aber auch wie ein selbstgefälliger böser Grinser. An diesem Lächeln prallt der Blick ab. Das muss auch Morris so empfunden haben, der aber trotzdem nicht aufhört hinzusehen.

Es ist dieser hartnäckige, unerschrockene, kalt analytische Blick, der auch diesen Film des Oscarpreisträgers auszeichnet. Seit drei Jahrzehnten rückt Morris damit recht undurchsichtigen Personen auf den Leib, darunter ist ein weiterer US-Verteidigungsminister, Robert S. McNamara, den Morris 2003 in "The Fog of War" porträtierte, ferner der Konstrukteur von Hinrichtungsmaschinen und Holocaustleugner Fred A. Leuchter ("Mr. Death - The Rise and Fall of Fred A. Leuchter", 1999) oder der vermeintliche Polizistenmörder in "The Thin Blue Line (1988), der aufgrund von Morris' Recherchen begnadigt wurde.

"Snowflakes" nennt Rumsfeld die Zettel mit seinen Memos. Zehntausende hat er verfasst

Hundert Minuten erleben wir nun Donald Rumsfeld, wie er die eigene Karriere und die jüngere amerikanische Geschichte sieht. Morris lässt ihn Auszüge aus jenen Zehntausenden Memos vorlesen und kommentieren, die Rumsfeld als Parlamentarier, Berater von vier US-Präsidenten und zweimaliger Verteidigungsminister verfasst hat. Hochspannende Momente der jüngeren amerikanischen Geschichte werden da beleuchtet, etwa ein Kommentar Nixons über Rumsfeld auf einem der Watergate-Bänder oder eine Botschaft Rumsfelds an Condoleezza Rice.

"Snowflakes" nennt Rumsfeld seine weißen Notizzettel. Und es wirbelt gewaltig in der Schneekugel, die Morris immer wieder zwischen die Gesprächssequenzen schneidet. Der Schneesturm aus Wörtern und Papier entspricht der langen, bewegten Karriere, auf die Rumsfeld zurückblickt, und den politischen Stürmen, die er erlebt hat, darunter Vietnam, das Attentat von 9/11, der Irakkrieg und der Schock, als die Folterfotos aus Abu Ghraib öffentlich wurden. Das Wirbeln erinnert aber auch an den fog of war, den Nebel des Krieges, von dem Morris' Film über Robert McNamara erzählt. Morris versucht diesen Nebel zu durchdringen, er will in die Köpfe seiner Figuren schauen und ist dabei so hartnäckig wie ein Ermittler.

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