"The Ides of March" im Kino:In Brutus' Rücken

Wie Manipulatoren manipuliert werden: In "The Ides of March" demontiert George Clooney den Popanz des Idealismus. Man weiß in diesem durchtriebenen Thriller nicht, wer gerade wen betrügt. Es scheint, als würde Cäsar dem jungen Brutus brutal in den Rücken fallen, doch auch die Jungen haben ihre Unschuld längst verloren.

Fritz Göttler

Der Gouverneur Mike Morris ist einer der potentiellen Präsidentschaftskandidaten der demokratischen Partei für die kommenden Wahlen. Ein Mann mit einer Menge Charisma, einer, der viel von Vernunft und Rationalität, Integrität und Liberalität spricht. Der seine Augen stählern blitzen lassen und wie Waffen der Überzeugungskraft einsetzen, seine raue Stimme benutzen kann zum rhetorischen Zangengriff. Der eine rationale Haltung emotional rüberbringt. George Clooney kann das. Das Kino kann das.

Themendienst Kino: The Ides of March - Tage des Verrats

George Clooney in den "Ides of March" als Gouverneur Mike Morris. Die historisch verbürgte Rollenverteilung des Verrats scheint nicht mehr gesichert zu sein. 

(Foto: dapd)

George Clooney spielt den Gouverneur Morris und führt selber Regie bei "The Ides of March - Tage des Verrats". Sein vierter Film als Regisseur, ein politischer Thriller, ein politisches Melo, atemraubend, beklemmend, ironisch. Es geht um den Bundesstaat Ohio, um die Vorentscheidung in den Vorwahlen. Es geht, weil die Republikaner keinen wirklich potenten Kandidaten vorzuweisen haben, de facto um die Präsidentschaft.

Ein großer Teil des Films wurde in Cincinnati gedreht, die Stadt ist präsent in ihren Schulhäusern und Veranstaltungshallen, ihren monotonen Hotels und kleinen Bars. Einmal auch in einem schäbigen Viertel zwischen zwei Apartmenthäusern, dort parkt unauffällig in einer Ecke der Wagen des Kandidaten, drin wird eine wichtige Personalie der Partei und ihrer Taktik verhandelt. Der Film zeigt viele Halbtotalen, die politische Landschaft als Sniper-Land, jede einzelne Figur darin gleichsam zum Abschuss preisgegeben durch die Kontrahenten.

George Clooney liebt die Hintergrund-, die Hinterzimmergeschichten, das war schon zu sehen in seinen Filmen "Confessions of a Dangerous Mind", Spionage in Ostberlin im Kalten Krieg, und "Good Night, and Good Luck", über die McCarthy-Zeit in Amerika.

Die wirkliche Action ist immer hinter den Kulissen. Wenn der Kandidat und seine Berater eine Veranstaltung absolviert haben, werden - noch während sie den langen Gang zum Ausgang abschreiten - die Erfahrungen resümiert, Details für die nächsten Aktionen durchgesprochen.

Streichtrio der Intrige

Einmal ziehen sie sich, um ungestört und unbelauscht zu sein bei einem entscheidenden Gespräch, in einen Probesaal zurück. Im Hintergrund stehen einige Notenständer, und die drei sehen, breitbeinig auf ihren Stühlen hockend mitten im leeren Raum, aus wie ein Streichtrio der Intrige. Philip Seymour Hoffman ist dabei, als Chefmanager, als Urgestein des Films, in seiner unsentimentalen, aber loyalen Professionalität.

Ryan Gosling spielt Stephen Meyers, er ist der jüngste Macher in Mike Morris' Team. Gosling schaut ein wenig durchschnittlich aus, von der Stange, was die Frisur angeht, den Anzug. Ein Zubringer, ein Zuarbeiter. Ein Stand-in. Seine erste Szene zeigt ihn, wie er sich lässig vor einem Mikro platziert und ein paar provokante, pathetische, ehern gestanzte Sätze loslässt - "Ich bin kein Christ. Ich bin kein Atheist. Ich bin nicht jüdisch. Meine Religion ist auf einem Stück Papier niedergeschrieben, und das heißt Verfassung . . ."

Er testet das Mikro für den Auftritt des Kandidaten. Ein Film über einen Popanz, den größten überhaupt womöglich - den des Idealismus. Das Projekt erfuhr eine Verzögerung aus ungewöhnlichem Grund. Einige Zeit hatten George Clooney und sein Kumpel Grant Heslov - Schauspieler, Produzent, Regisseur - schon am Script für die "Ides" gearbeitet, nach dem Stück "Farragut North" von Beau Willimon, als Obamas grandioser Wahlsieg kam. "Mit ihm verbanden sich so viele Hoffnungen und eine solche Aufbruchstimmung, dass es uns schlicht der falsche Zeitpunkt zu sein schien, die 'Ides' zu drehen. Die Menschen waren zu optimistisch für solch zynisches Material."

Spiel der ständigen Verführung

Zynismus hat eine neue Qualität bekommen in der Moderne und in der Postmoderne, ist stärker zum ästhetischen denn zum moralischen Problem geworden - können Melos zynisch sein? -, und man könnte allein am Clooney-Kino, an der Entwicklung der Figur George Clooney diese Entwicklung sehr schön nachzeichnen.

Mit der gleichen Faszination, der geradezu diebischen Freude, mit der man Clooneys Coups in der "Ocean's"-Serie folgte, schaut man hier zu, wie wir, die Bürger, das Wahlvolk vorgeführt werden von Clooney und der großen Wahlkampfmaschine. Politik ist ein schmutziges Spiel, da soll es wenigstens hin und wieder Spaß machen.

Die Iden des März sind eine Metapher für Verrat - Verrat als politische Notwendigkeit. Man weiß in diesem Film nicht, wer gerade wen blufft und betrügt, und es scheint, als wäre die historisch verbürgte Rollenverteilung nicht mehr gesichert - als würde Cäsar dem jungen Brutus brutal in den Rücken fallen.

Ein Film über Manipulation. Darüber, wie die Manipulatoren manipuliert werden. Aber natürlich haben auch die Jungen ihre Unschuld längst verloren, haben sich eingelassen auf das Spiel der ständigen Verführung. Auch Ryan Gosling ist längst der ausgefuchste miese Manager-Arsch.

Ich hab' für Sie in Iowa gearbeitet, sagt das blonde Mädchen (Evan Rachel Wood), das plötzlich in der Tür zu seinem Raum steht und im Team oft fürs Kaffeebringen zuständig ist. Sie weiß, wie das Business läuft, das Täuschen und Tricksen. Der unmoralische Imperativ: keine Schwächen zeigen. Ich weiß, sagt Gosling, und sein Gesicht sagt, dass er sich natürlich überhaupt nicht erinnert. Sie wirke irgendwie verändert, geht die Konversation weiter. Mein Haar?, fragt sie, und zeigt mit dem Finger darauf. Sie haben Ihr Haar verändert, meint er erleichtert. Sie: Nein. Aha, sagt er. Er hat das Gefühl, er kommt nun wie der letzte Trottel rüber.

Er solle doch mal vorbeischauen, meint sie, abends, in der Bar des Motels auf der anderen Seite des Flusses, wo die Helfer einquartiert sind. Meine Nummer ist ja in Ihrem Phone gespeichert, unter Mary. Ja doch, weiß ich, sagt er, Mary. Sie dreht sich um und korrigiert ihn lächelnd: Mein Name ist Molly. Sie geht, und Gosling hat ein merkwürdiges, lausbübisches Lachen im Gesicht, ein bisschen Scham und Vergnügen an ihrer Performance, und Mitleid, weil er ahnt, das sie und er irgendwann wohl auch geopfert werden können in diesem Spiel der Politik.

THE IDES OF MARCH, USA 2011 - Regie: George Clooney. Buch: Grant Heslov, George Clooney. Kamera: Phedon Papamichael. Schnitt: Stephen Mirrione. Mit: Ryan Gosling, George Clooney, Philip Seymour Hoffman, Evan Rachel Wood, Paul Giamatti, Marisa Tomei, Max Minghella. Tobis, 97 Minuten.

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