"The French Dispatch" ist mehr Wimmelbild als Film. Wer am schnellsten die meisten Schauspielerikonen findet, gewinnt. Tilda Swinton, Timothée Chalamet, Christoph Waltz, Elisabeth Moss, Bill Murray und Frances McDormand geben sich hier blitzschnell die Klinke in die Hand, während sie Wes Andersons neuem Film gewohnt emotionslos Leben verleihen. Na ja, Leben. Soweit man das bei Wes Anderson, dem Hohepriester der tiefempfundenen Künstlichkeit, halt behaupten kann. Aber die Möbel sind schön! Sogar sehr schön.
Den Rahmen von Andersons Episodenfilm bildet die Redaktion des imaginären Magazins "The French Dispatch", das dem New Yorker nachempfunden ist, jedoch in Frankreich produziert wird, in einer Stadt names Ennui-sur-Blasé. Dessen Seele ist der grummelige und visionäre Chefredakteur Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray), der zu Beginn des Filmes bedauerlicherweise stirbt. Zurück bleibt sein Team, eine Auswahl hochkarätiger Journalisten. Drei der Geschichten, die sie recherchiert haben, werden dann als jeweils eigener Film im Film dargeboten - in dem Sinne ist "The French Dispatch" eigentlich ein sehr langer, sehr bunter, sehr unterhaltsamer Epilog.

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Und ein Nachruf nicht nur zum Tod der Hauptfigur, sondern auch auf den Magazinjournalismus an sich, eine große persönliche Leidenschaft, zu der sich Wes Anderson hier bekennt. Gewiss, Magazine existieren noch, aber gut geht es ihnen nicht. Die Tage, in denen Magazinjournalisten in Fünf-Sterne-Hotels tagelang mit Beyoncé Rumtrüffel verzehren konnten, bevor sie eine Limousine zum nächsten Termin brachte, sind gezählt. ( Und wir sind alle sehr gekränkt! Anm. der Redaktion).
Gleichzeitig verändert sich, und das zeigt auch "The French Dispatch", im Journalismus wie überall in der Welt am Kern der Dinge herzlich wenig. Journalisten scheinen schon seit der Existenz des Gewerbes nichts anderes zu tun zu haben, als sich gegen das Streichen ihrer (subjektiv) besten Pointen zu wehren, ihre Deadlines immer weiter hinauszuschieben oder im Flur rumzulungern und über große Artikel zu sprechen, die sie nie beenden werden.
Wie immer spürt man Sorgfalt und Liebe zum Detail
An dieser Stelle muss die Lektüre des Buchs "Käsebier erobert den Kurfürstendamm" von Gabriele Tergit empfohlen werden, das sogar noch früher spielt als Andersons nostalgische Depesche. Es enthält wunderbare Zeilen über das Redaktionswesen in den Dreißigerjahren in Berlin, das sich in seinem Wesen absolut nicht vom heutigen zu unterscheiden scheint. "Da ist ein begabter Artikel über den Matsch, aber es friert ja noch. Die Leute können alle nicht schreiben. Keiner kann eine gute Reportage machen. Es fällt niemandem was Neues ein," sagt der Redakteur Miermann bei Tergit, und er hat auf ewig recht.
Aber pardon. Der Plot des Filmes? In diesem Fall die Plötte. Schon klar, es heißt Plots, aber die verschachtelten, eigenwilligen Dinger, die Anderson da hinzaubert, sind mit dem Wort "Plötte" besser beschrieben. Der erste Film im Film heißt "The Concrete Masterpiece - by J. K. L. Berensen". Moses Rosenthaler (Benicio del Toro), ein im Gefängnis sitzender Maler, hat eine Affäre mit seiner Wärterin und Muse Simone (Léa Seydoux). Er fertigt eine Aktmalerei von ihr an, die den Kunstmarkt im Sturm erobert - und einige Kunsthändler beinahe um Verstand und Leben bringt.
"Revisions to a Manifesto - by Lucinda Krementz" handelt von ebenjener hochgeschätzten politischen Journalistin, Mrs. Krementz (Frances McDormand) und Zeffirelli (Timothée Chalamet), einem studentischer Revoluzzer, mit dem sie eine Affäre beginnt. Und natürlich dem Wesen und Herzen der Revolution. Der dritte Akt, "The Private Dining Room of the Police Commissioner - by Roebuck Wright" ist eine fragile Symbiose aus Entführungsgeschichte und Restaurantkritik.

Wie üblich bei Anderson sind die Sets, die Kinematografie und Art Direction mit unglaublicher Sorgfalt und Detailverliebtheit ausgeführt. Gemeinerweise gewöhnt sich der Mensch an alles Gute sehr schnell, und da "The French Dispatch" nicht Andersons erster Film ist, sondern sein circa hundertfünfter, ist diese Gewöhnungsphase seit Längerem abgeschlossen. Bei der Vielzahl der Charaktere, die er hier verhobelt, fallen notwendigerweise Späne, aber einige bleiben einem doch im Gedächtnis. Timothée Chalamet und Frances McDormand haben im Film nicht nur leidenschaftlichen Sex (Off camera, Perverslinge! Wir sind hier nicht bei Gaspar Noé) sondern auch eine gute (aufrührerische) Chemie, und Léa Seydoux überzeugt als freundlich sadistische Gefängniswärterin.
Man hätte ihnen eigene Filme gewünscht, oder zumindest mehr Platz. Zwei der drei Geschichten handeln von Aufruhr, während Anderson seinem Stil treu bleibt, ihn sogar noch weiter ins Extrem treibt. Verfolgt er denselben Ansatz im Film, den die Band 100 Gecs gerade im Pop erproben - die Stilmittel so lange zu übersteuern, bis etwas komplett Neues entsteht. Aus dieser Übersteuerung entsteht hier eine Art rasender Stillstand, eben tatsächlich ein Wimmelbild.
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In dessen Zentrum aber steht Bill Murray, der als weiser Chefredakteur nicht nur seine Redaktion zusammenhält, sondern den ganzen Film. Von ihm kann man lernen, dass Redakteure eigentlich nichts tun können, außer ihren Autoren gut zureden und drucken, was kommt. Und wenn Sie jetzt diesen Schlusssatz lesen, dann ist es wohl genauso passiert.
The French Dispatch , USA / D / F, 2021 - Regie: Wes Anderson. Buch: Anderson, Jason Schwartzman, Roman Coppola, Hugo Guinness. Kamera: Robert D. Yeoman. Musik: Alexandre Desplat. Mit Benicio del Toro, Frances McDormand, Jeffrey Wright, Adrien Brody, Tilda Swinton, Timothée Chalamet, Léa Seydoux, Owen Wilson, Mathieu Amalric, Bill Murray. Disney, 108 Minuten. Kinostart: 21. 10. 2021.