"The Contractor" im Kino:Die Wut der kaputten Krieger

"The Contractor" im Kino: Chris Pine (mit Helm) als Söldner in gefährlichem Auftrag.

Chris Pine (mit Helm) als Söldner in gefährlichem Auftrag.

(Foto: Leonine)

"The Contractor" ist ein Söldnerfilm aus dem Actiongenre. Aber der schwedisch-ägyptische Regisseur Tarik Saleh versieht ihn mit ungewohnter Kritik an den Verhältnissen.

Von Doris Kuhn

Immer wenn der Name Tarik Saleh hinter einem Filmtitel steht, kann man gespannt ins Kino gehen. Seine Arbeiten wechseln oft das Genre, es waren politische Dokumentationen darunter, Science-Fiction-Animationen, ein absurder Thriller in Stockholm. Vor allem gab es 2017 "Die Nile Hilton Affäre", einen Krimi in Kairo, der ganz gut erklärt, was Salehs Filme so außergewöhnlich macht.

Es ist die Nüchternheit, die er als skandinavischer Regisseur beherrscht, mit der er hier das Chaos in einem arabischen Setting und in einer arabischen Korruptionsgeschichte strukturiert. Saleh, in Schweden geboren, ägyptische Wurzeln, ist ein Meister des Minimalismus. Er gibt nicht an, er trägt nicht dick auf, aber was er erzählt, trifft ins Schwarze - man glaubt, die Wirklichkeit zu sehen und ihre Geheimnisse zu verstehen.

Bei Salehs aktuellem amerikanischen Film wirkt das womöglich schwer vereinbar, Minimalismus und Actionknaller. Tatsächlich hat er kein Problem mit der Umsetzung einer solchen Kombination, sie gibt dem "Contractor" sogar eine angenehm altmodische Wucht. Aber das passiert erst später. Zu Beginn sieht man eine lange Sequenz, die auch wieder typisch für Saleh ist. Einem Publikum, das kommt, um Geballer zu sehen, führt er erst einmal den desolaten Zustand jener US-Soldaten vor, die nach ein paar Kriegen ohne Rückhalt oder Unterstützung vom Militär entlassen wurden.

Diese Veteranen fühlen sich vom US-Militär verraten

Salehs Held James, Berufssoldat mit Knieverletzung, teilt dieses Schicksal, und er hat Freunde, denen es ähnlich geht. Für viele dieser Männer ist Selbstmord eine klare Option, man sieht James bei einer Beerdigung, es ist nicht die erste, der er beiwohnt. Dort trifft er Mike, mit dem er lange in derselben Einheit war, auch der ist jetzt entlassen. Aber Mike hat eine Lösung gefunden: Sein Kumpel Rusty, natürlich Ex-Militär, braucht kampferprobte Leute, die für ihn arbeiten - im Regierungsauftrag zwar, aber trotzdem geheim und nicht gewaltfrei. Rusty rekrutiert am liebsten entlassene Soldaten. Denn er weiß, wie sie sich fühlen, wie wütend, enttäuscht, verbittert sie darüber sind, was ihnen bleibt, nachdem sie "body and spirit" so lange der Army überließen, bis beides kaputt ging.

James vertraut Mike, er vertraut Rusty, bald darauf ist er in dessen Auftrag unterwegs nach Berlin, um dort eine Mission zu erledigen. Einen Wissenschaftler observieren, die Ergebnisse seiner Arbeit stehlen, nichts Kompliziertes, heißt es. Der Actionteil beginnt also damit, auf fremdem Terrain unauffällig zu sein, im Gewühl der City genauso zu verschwinden wie hinter den Blumenrabatten in der Vorstadt. Man sieht dabei, dass James und Mike ein gutes Duo sind - für den Zuschauer ist das umso reizvoller, wenn er sich an den großen Western-Krimi "Hell or High Water" erinnert, da waren die Schauspieler Chris Pine und Ben Foster auch schon ein Paar, aber ungleiche Brüder, keine vertraglich abgesicherten Söldner.

Die vermeintlich leichte Mission jedenfalls geht spektakulär daneben, es handelt sich dann doch um eine ausgewachsene Verschwörung. Mike und James bleibt nur die wilde Flucht. Jetzt setzt auch das erwartete Geballer ein, aber es hört bald wieder auf, die Helden müssen in Nahkampf und Dunkelheit. Dort choreographiert Tarik Saleh die Kämpfe so, das man die Schwere der Körper spürt, die aufeinander losgehen, den Schmerz, die Anstrengung. Diesen Realismus sucht er immer wieder, und jedes Mal evoziert er damit größere Dramatik als mit einem Kugelhagel. Trotzdem herrscht kein Mangel an Tempo oder Überraschungen, vor allem nicht an Verrat, denn der Contractor James bleibt allein zurück in der dreckigen Stadt, in der jetzt scheinbar jeder darauf angesetzt ist, ihn zu töten.

Das Action-Genre wird, bei aller Abwechslung, von Saleh nicht neu erfunden. Auch bei ihm ist es die Familie, die seit jeher alle motiviert, zu tun, was sie für nötig halten; er ist nicht gefeit gegen den Kitsch des Hollywood-Heldentums. Aber er gibt seinen Hauptfiguren keine Superkräfte, sondern ein Gewissen, das sie im Zweifelsfall ignorieren müssen, um ihr Überleben zu sichern. Sie sind nicht jeder Situation gewachsen, sie durchschauen nicht alles, was ihnen zustößt, dadurch kommt man ihnen nahe - näher als das in anderen Actionfilmen passiert. Das steigert gleichzeitig die Spannung, weil man nicht nur mit ihnen, sondern auch um sie Angst hat. Die alte Geschichte vom Söldner wird angereichert mit Gefühl.

The Contractor, USA 2022 - Regie: Tarik Saleh. Drehbuch: J.P. Davis. Mit: Chris Pine, Ben Foster, Kiefer Sutherland, Eddie Marsan, Fares Fares. Verleih: Leonine, 103 Minuten. Kinostart: 14. 4. 2022.

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