"The Batman" im Kino:Junkiehaft fragil

'The Batman.'

Wenn sie das Wort "Vengeance" (Rache) ausspricht, klingt es fast zärtlich: Robert Pattinson als Batman und Zoë Kravitz als Catwoman

(Foto: Warner Bros. Pictures/AP)

Wieder einmal wird Batman neu erfunden, Matt Reeves wollte unbedingt Robert Pattinson für die Rolle. Mit ihm bekommt der schwarze Rächer ein unerwartetes Vorbild: Kurt Cobain.

Von Fritz Göttler

Eine Waisenkinder-Geschichte, traurig und düster wie ein Dickens-Roman, Chronik einer vater-, aber auch mutterlosen Gesellschaft, die zwei Jungen (und ein Mädchen) allein lässt mit Entscheidungen, die sie überfordern. Und für die sie eben zu jung sind. Die Generation der lost boys.

Mit dem Ave-Maria fängt es an, die Kamera blickt auf einen großbürgerlichen Wohnblock im fiktiven Gotham City, das Ave-Maria dringt aus einem der Zimmer, und durch ein Fenster sieht man, nicht ganz deutlich, wie ein Mann auf einen anderen einschlägt. Dann verklebt er ihm den Kopf mit Plastikband, schreibt "Keine Lügen mehr" darauf. Ein gnadenloses Ritual.

Dieser Killer ist der unheimliche Riddler, der ganz Gotham City in Schrecken versetzt, eben hat er den Bürgermeister umgebracht. Das Ave-Maria ist sein Song. Batman, der eigentlich der Milliardärssohn Bruce Wayne ist, in einem verkommenen Palast haust und sein Gegenspieler wird, hat auch einen Song. Es ist "Something in the Way" von Nirvana.

Er macht zu Beginn dieser tollen und depressiven Batman-Version eine Menge Drecksarbeit, er räumt unter den miesen totenschädeligen Typen auf, die die dunklen Straßen der Stadt unsicher machen - der Minimalist unter den Vigilanten. Der Riddler dagegen, mit dem er auf eine fast brüderliche Weise verbunden ist, nimmt sich dagegen die wirklichen Verbrecher vor, die Reichen und Mächtigen, die ihre Politik und Philanthropie betreiben und in Korruption eng mit dem organisierten Verbrechen verbunden sind. Er will die Stadt Gotham City säubern, die eine Jauchegrube ist. Ein Serienkiller mit einem Programm, das macht den Riddler zu einer Art Terroristen.

"The Batman" heißt der Film, und der Artikel zeigt an, hier handelt es sich nicht um einen Namen, mehr um eine Klassifikation, eine Spezies. Der Mann selber stellt sich anders vor: "I am vengeance", ich bin Rache, erklärt er, dann schlägt er zu, hart und wuchtig. Wenn die Frau, die er liebt, Selina Kyle, Catwoman (die resolute Zoë Kravitz), seinen Namen ausspricht, klingt das Vengeance fast zärtlich.

Batman ist der Superheld, der über die Jahre am öftesten umgedeutet wurde

Batman ist von allen amerikanischen Superhelden derjenige mit der unruhigsten Karriere, eine einsame, existentialistische, gequälte Figur, die am meisten modifiziert, angepasst, umgedeutet wurde im Lauf der Jahrzehnte. Er wurde verkörpert von Adam West, Michael Keaton, Val Kilmer, George Clooney, Christian Bale, Ben Affleck. Der sollte eigentlich auch in dieser Version wieder spielen und hat auch schon an einem Drehbuch mitgeschrieben, aber man konnte sich auf die anvisierte Linie nicht einigen und Affleck verließ das Projekt. Matt Reeves, der mit dem Endzeit-Kammerspiel "Cloverfield" und den letzten "Planet der Affen"-Filmen erfolgreich war, schrieb seine eigene Version, inspiriert vor allem vom sehr dunklen "Year One" von Frank Miller und David Mazzucchelli, mit Robert Pattinson als Batman im Sinn.

Pattinson hatte sich überhaupt nicht wohlgefühlt als Teenie-Star der erfolgreichen "Twilight"-Serie und im Anschluss lieber mit unabhängigen Filmemachern gearbeitet. Reeves hatte ihn in "Good Time", dem Independent-Erfolg der Brüder Safdie, gesehen, spürte da ein Toben im Innern, das auch sein Batman brauchte. Sogar meine Agenten meinten, erzählt Pattinson, als sie von dem Blockbuster-Batman hörten: "Ach, interessant, wir dachten, du wolltest nur noch totale Freaks spielen?" Pattinsons Antwort: "Er ist ein Freak."

Man sieht hier keine fantastische Superhelden-Action, sondern eine schwarze Detektivgeschichte mit tiefgründiger Off-Erzählung, wie man sie von Chandler & Co kennt. Der Riddler gibt dann seine vertrackten Rätselfragen dazu, über die er mit der Polizei und vor allem mit dem Batman kommuniziert: "Was ist das ... es kann grausam, poetisch, blind sein, und wenn's einem verwehrt wird, könnte man auf Trotz stoßen?"

Ist Gerechtigkeit die Antwort? Gotham ist düster, verregnet, schmutzig, geile weiße Männer in den Nachtclubs, korrupte Politiker, meistens im Wahlkampf, dubiose Drogenbarone. Noir pur. Batman ermittelt an der Seite des aufrechten Lieutenant Gordon vom GCDP, verkörpert von Jeffrey Wright. Das heißt, er ist meistens in Montur, mit Maske und Cape. Good Cop, Bat Cop.

Wenn Bruce zu Hause das ablegt, erschrickt man, wie schmächtig das Bürschchen ist, wie junkiehaft fragil, sein Rücken ganz vernarbt. Schwarze Strähnen fallen ihm übers Gesicht, er hat die müde Eleganz von Travis Bickle, dem "Taxi Driver". Als Kind hat er ansehen müssen, wie seine Eltern ermordet wurden, doch der Riddler plagt ihn mit einer anderen traumatischen Unsicherheit - war Vater Wayne, der auch in die Politik wollte, wirklich ein menschenfreundlicher Milliardär? Die Sünden der Väter, die Komplizenschaft von Geld & Politik & Verbrechen, ein schlimmes amerikanisches Thema.

Den Riddler hat Matt Reeves dem Zodiac Killer nachgebildet, dem berüchtigten Serienkiller vom Ende der Sechzigerjahre, für den jungen Batman - er ist erst das zweite Jahr aktiv im Rächer-Kostüm - war das Vorbild Kurt Cobain. Zwei Waisenkinder... aber am Ende macht der Riddler - das ist ein beklemmender Auftritt von Paul Dano - den Unterschied, die soziale Differenz zwischen ihnen klar.

So schlimm kann das nicht sein, sagt er, elternlos in einem reichen Haushalt aufzuwachsen. In einem Waisenhaus dagegen... Die Selbstgerechtigkeit des jungen Bruce wird schwer erschüttert. Eine gewaltige Welle ergießt sich in die Straßen von Gotham City, wie Travis Bickle sie ersehnt hatte, die Unterprivilegierten der Stadt eröffnen von den Dächern das Feuer auf die Reichen. Man merkt, in welchen vier Jahren in Amerika diese Geschichte sich entwickelt hat.

The Batman, 2022 - Regie: Matt Reeves. Buch: Matt Reeves, Peter Craig. Kamera: Greig Fraser. Schnitt: William Hoy, Tyler Nelson. Musik: Michael Giacchino. Mit: Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Paul Dano, Barry Keoghan, Amber Sienna, Colin Farrell, Peter Saarsgard, John Turturro, Andy Serkis, Jeffrey Wright. Warner, 175 Minuten.

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