Testino-Ausstellung "Out of Fashion":Sonnenbank-Flavour

Bitte gehen sie weiter, hier gibt's nichts zu sehen - bloß die Welt der Schönen und Transpirierenden im Großformat: Der Fotograf Mario Testino führt vor Augen, was man nicht mehr sehen kann. Trotzdem mit Bildstrecke.

Manfred Schwarz

Dort, wo sich die makellos gebräunten, perfekt geformten Brüste fast berühren - genau dort, im kleinen Spalt dazwischen, haben sich die Schweißtropfen zu einem koketten, fast frivolen Pfützchen gesammelt. Auch der BH aus himmelblauem Jersey ist an den Rändern durchnässt. Fast reizvoll sieht dieses Brustbild aus, das am Halsansatz der Verschwitzten endet und uns ihr Angesicht verschweigt. Fast meint man hier, unter dem Hauch von Nerz, der sich um die hantelstemmenden Arme schmiegt, einen Hauch von Lebensspuren zu entdecken.

Denn Mario Testino wäre nicht der teuerste, der begehrteste, der schickste Hoffotograf unserer Tage, wenn es ihm jemals einfiele, wirklich ernst zu machen. Wenn er jemals mehr zeigen würde, als das, was gewünscht wird. Von den Auserwählten selbst und von den unendlich vielen Namenlosen, die sich an der klinischen Makellosigkeit seiner Fotos, an ihrem technischen Virtuosentum berauschen wie Frömmler an fein kolorierten Heiligenbildchen.

Weil den Fotos von Testino jeglicher Nervenkitzel und jegliche Schrulle fehlt, weil der aus Lima stammende Glamour- und Modefotograf nie etwas anderes liefert als kanonische Kultbilder für eine weltweite Kultgemeinschaft - deshalb wird er so ungemein geschätzt. An den Fürstenhöfen und in den Redaktionen der Modezeitschriften, von den Schönen und Reichen des Jetsets wie von all jenen, die diesen möglichst nahekommen wollen, um sich an ihrem Glanz zu wärmen. Und genau deswegen auch sind seine Fotoarbeiten so bedrückend langweilig. So durch und durch nichtssagend.

Zum an die Wand klatschen

Erst recht im wandfüllenden Riesenformat. Eindringlich belegt dies die Ausstellung mit dem prätentiösen Titel "Out of Fashion", die passenderweise in Düsseldorf eingerichtet ist, wo man nahtlose Bräune traditionell zu schätzen weiß, ob nun beim Corso auf der Königsallee oder beim Museumsrundgang.

Nahtlose Übergänge bieten auch die Fotos selbst: Während sie durchwegs anmuten wie Fototapeten für ein zeitgemäßes Jugendzimmer, erscheinen auch ihre Protagonisten - immer wieder Kate Moss und Gisèle Bündchen, daneben die üblichen Verdächtigen von Madonna bis Gwyneth Paltrow, von Robbie Williams bis Jude Law - wie Figurinen vor einer Kulisse: Die Welt sieht hier stets so aus wie eine Fototapete. So wie bei der Arbeit "Sugarloaf"": Hinter den unerträglich satt ausgeleuchteten, im wärmsten Scheinwerferlicht gebadeten Bronzekörpern der Jeunesse dorée wirkt der ins Blickfeld gerückte Ausschnitt von Rio de Janeiro wie auf eine Rigipswand geklebt.

Mario Testino hat uns nichts zu sagen, und er hat auch nichts zu zeigen. Außer berühmten Gesichtern in schicker Aufmachung und perfekter Beleuchtung. Außer den bis zur völligen Belanglosigkeit idealtypisch geformten Bodies (von "Körpern" zu sprechen wäre wirklich fehl am Platz) in beliebiger Aufmachung und perfekter Beleuchtung. All das ist von Glamour, von Sexappeal so weit entfernt wie die Salonmalerei des 19. Jahrhunderts vom wirklichen Leben.

Testinos oft beschriebener "Klassizismus" ist denn auch bestenfalls der Klassizismus eines Cabanel oder eines Guido Reni: Nicht nur zu süßlich, um wahr zu sein; zu süßlich auch, um wirklich schön oder auch nur sexy zu scheinen. Es ist gewiss auch kein richtiger Schweiß, der zwischen den Brüsten Emmanuelle Seigners strömt. Es handelt sich garantiert nur um vorsorglich abgekochtes Evianwasser.

"Out of Fashion. Mario Testino", NRW-Forum, Düsseldorf, bis 17. Mai. Info: Telefon 0211 / 89 26 690

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