"Tesla" mit Ethan Hawke:Im Gegenstrom

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Die Frau ist verliebt, das Genie ist in Gedanken ganz woanders: Ethan Hawke als Nikola Tesla, an seiner Seite Eve Hewson. (Foto: Cara Howe; Verleih)

Die Filmbiografie über den legendenumwobenen Erfinder Nikola Tesla zeigt, warum Erzählungen über Genies so selten ehrlich sind.

Von Kathleen Hildebrand

Der Film ist schon fast zu Ende, da entlädt sich seine Ideenmaschine noch einmal in einem großen rosafarbenen Blitz. Ethan Hawke, der Nikola Tesla bis hierhin halb verdruckst, halb überheblich gespielt hat, singt plötzlich vor einem tiefrosa Sonnenuntergang den Song "Everybody Wants To Rule The World" der britischen Band Tears for Fears aus dem Jahr 1985. Er singt schief, schwer verständlich, es liegt ein verzerrender Hall auf jedem Ton. Und vor allem gehört dieses Lied einfach nicht ins späte 19. Jahrhundert, in dem man sich doch hier jetzt eigentlich befinden sollte.

Michael Almereydas "Tesla" hält sich an kaum eine der filmischen Konventionen, die hier eigentlich gelten sollten, in der Filmbiografie eines historischen Genies wie Nikola Tesla, dem Erfinder der Energieübertragung durch Zweiphasenwechselstrom. Tesla ist immer ein bisschen untergegangen im Innovationskampf der Stromgrößen Thomas Alva Edison und George Westinghouse. Tesla meldete zwar an die 300 Patente an, die meisten im Bereich der Elektrotechnik, starb aber 1943 verarmt in einem Hotel in New York.

Nikola Tesla inspiriert bis heute Romanautoren, Filmemacher, Musiker und Innovatoren

In Sachen Nachruhm aber umgibt ihn eine besondere Aura, die immer wieder Romanautoren, Filmemacher, Musiker und mutige Innovatoren inspiriert hat. Die kalifornischen Elektroautobauer um Elon Musk wählten nicht umsonst Tesla als Firmennamen, und als Christopher Nolan 2006 in seinen Zauberfilm "The Prestige" einen Kurzauftritt für Tesla hineinschrieb, gewann er dafür keinen Geringeren als David Bowie.

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Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass Teslas Karriere nicht gerade war, ein Leben ohne Auflösung, ohne Happy End. Und spärlich dokumentiert dazu. Almereyda gibt das offen zu, nutzt es als künstlerische Chance. So lässt er etwa Eve Hewson, die in Steven Soderberghs Serie "The Knick" die tragische Krankenschwester spielte, im historischen Kostüm am Laptop sitzen und die Google-Trefferzahlen von Edison, Westinghouse und Tesla vergleichen.

Hewson spielt Anne Morgan, die Tochter des Großbankers J. P. Morgan, die als Erzählerin durch den Film führt. Aber nicht ganz interesselos - ihr Vater hat zeitweilig Teslas Ideen finanziert. Und Anne Morgan ist ein bisschen verknallt in Tesla, der wiederum mit ihrem Interesse so gar nichts anzufangen weiß. Lieber flirtet er kurz mit Sarah Bernhardt, dem größten Star jener Zeit. Aber auch ihr zeigt er letztlich nur ein großes Blitzdingsbums, das er in die Wüste von Wyoming gebaut hat, um elektrische Impulse auf die gegenüberliegende Seite des Erdballs zu schicken. Natürlich war Sarah Bernhardt nie in Wyoming.

Weil der Film so originell mit dem Nichtwissen und der Fiktionalität spielt, ist "Tesla" letztlich eine Filmbiografie über die Unmöglichkeit, eine Filmbiografie zu drehen. Er ist darin zuweilen ziemlich unterhaltsam. Almereyda flickt die Lücken mit wunderbar absurden Szenen: Tesla läuft schwankend zu Violinmusik Rollschuh in einem New Yorker Innenhof. Mit Edison (Kyle MacLachlan), der nichts vom Wechselstrom wissen will, sondern auf dem Primat des Gleichstroms besteht, liefert er sich frustriert ein Eiscreme-Duell.

In allen Bildern steckt ein Zweifel. Mal als Unschärfe, die man krampfhaft wegzublinzeln versucht. Dann als Rückprojektion: Ständig stolpert Ethan Hawke vor projizierten Aufnahmen amerikanischer Landschaften herum oder wird dilettantisch in historische Aufnahmen montiert. Es ist, als wollte Almereyda im Kino episches Theater spielen, sich über die glatte, dekorative Illusion des perfekt ausgestatteten zeitgenössischen Historienfilms mokieren und immer wieder fragen: Wer weiß schon, wie es wirklich gewesen ist?

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Dass Tesla ein so ungeschickter Held ist, passt zu diesem großen Zweifel: Nichts mag ihm jenseits seiner genialen Hirngespinste gelingen. Er entwickelt einen revolutionären Wechselstrommotor, der auch Erfolg auf dem Markt hat und nach und nach Edisons Gleichstrommaschinen verdrängt. Aber reich wird er nicht damit.

Er findet die Liebe nicht und auch nicht den großen Erfolg. Tesla lebt zu sehr in seinem Kopf, seine Ideen bleiben zu oft abstrakt, weil ihn die Wege zur Verwirklichung zu wenig interessieren. Die traurige Moral von Teslas Geschichte ist deshalb: Wer sich den rauen Mechanismen der Ökonomie so völlig entzieht - oder sie nicht verstehen will wie Tesla - fällt aus der Welt. Und das ist, in diesem Amerika, das nichts mehr schätzt als Reichtum und Erfolg, gleichbedeutend mit dem gesellschaftlichen Tod. Irgendwann wendet sich sogar Anne Morgan von Tesla ab.

Wie ein trauriger Perverser raunt Tesla seinem ehemaligen Geldgeber Ideen zu

Die härteste Szene ist dann ein idyllisches Freizeit-Tennismatch zwischen J. P. Morgan und seinen Töchtern. Tesla schleicht sich an, tritt aus dem Gebüsch wie ein trauriger Perverser und raunt seinem - ehemaligen - Geldgeber verzweifelt neue Ideen zu. Morgan aber wechselt, seiner überdrüssig, einfach die Spielfeldseite. Ethan Hawke ist sehr gut in dieser Szene, auch wenn er sonst oft ungewöhnlich unscheinbar bleibt in dieser Rolle.

"Tesla" will sehr viel, gerade indem der Film zeigt, wie wenig eigentlich möglich ist, will man in diesem überstrapazierten Genre der Genie-Biografie ehrlich bleiben. Das Problem ist nur, dass sich die klugen, lustigen Fragmente nicht zu einem Bogen fügen, der so etwas wie Spannung aufkommen ließe - und ja, die wünscht man sich ja letztlich doch, in welcher Form auch immer. Die Abkehr vom klassischen Instrumentarium der Filmerzählung ist interessant, aber ganz allein trägt sie nicht über anderthalb Stunden.

Oder ist es am Ende ein besonders cleveren Kniff, dass Film und Gegenstand hier ganz kongruent sind? Almereydas Film sprüht wie Tesla vor Ideen. Er ist aber auch, wie viele von diesen Ideen, nicht voll funktionsfähig.

Tesla , USA 2020 - Regie und Buch: Michael Almereyda. Kamera: Sean Price Williams. Mit: Ethan Hawke, Eve Hewson, Kyle MacLachlan, Jim Gaffigan. Verleih: Leonine, 96 Minuten.

© SZ vom 19.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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