Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Teresa Burga:Verblüffende Sturheit

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Die Künstlerin Teresa Burga ist gestorben. Erst spät hat die Szene die Peruanerin entdeckt, deren Distanz zur Kunstwelt vielleicht gar kein Zufall war.

Von Catrin Lorch

Es war vor allem die kraftvolle Handschrift ihrer Zeichnungen, die das Publikum faszinierte, ihr unbekümmert grelles Kolorit. Nachdem das Werk der peruanischen Künstlerin Teresa Burga überhaupt erst mal entdeckt war. Das geschah spät, erst nach der Jahrtausendwende, als die 1935 im peruanischen Iquitos geborene Künstlerin wohl selbst kaum noch damit rechnete.

Eine junge Generation von Kunsthistorikerinnen und Kuratorinnen, die nicht nur nach weiblicher Avantgarde, sondern dezidiert auch nach nicht-westlicher Kunst forschte, wurde auf Teresa Burga aufmerksam und bat um einen Termin in ihrem Atelier. "Ich konnte es nicht glauben", erzählte die Künstlerin rückblickend, "ich war ernsthaft davon überzeugt, dass es bei mir nichts mehr zu entdecken gäbe." Dass sie dem Besuch dennoch die Tür öffnete, mit einem lakonischen "Okay, kommt rein und wir warten mal ab, was passiert", war eine für die Kunstgeschichte folgenreiche Entscheidung.

Es war ein ungeheures Werk, das sich da offenbarte. Ein Werk, an dem Burga über Jahrzehnte weitergearbeitet hatte, auch als sie während der Militärdiktatur in ihrem Heimatland als "unperuanisch" gebrandmarkt wurde und isoliert war. Burga experimentierte früh mit Technik, verwendete Glühbirnen und Neonröhren, filmte mit der Videokamera und übertrug kybernetische Verfahren in ihre Installationen. Eines ihrer Schlüsselwerke, die Installation "Perfil de la mujer Peruana" (1981), der Versuch eines "Profils der peruanischen Frau", entstand in Kooperation mit der Psychologin Marie-France Cathelat. Das höchst experimentelle Werk der Außenseiterin bezieht sich nämlich mit verblüffender Sturheit noch mehr auf gesellschaftliche und soziale Umstände als auf die Kunst- oder Mediengeschichte.

Die Distanz Teresa Burgas zur internationalen Szene war wohl durchaus auch selbst gewählt. Die an der katholischen Universität in Lima ausgebildete Architektin kehrte Anfang der Siebzigerjahre nach einem zweijährigen Studienaufenthalt am renommierten Art Institute in Chicago umstandslos zurück in ihre Heimat. Dort hatte sie mit Künstlerkollegen die Gruppe "Arte Nueva" gegründet, die US-amerikanische Erfolgslabel wie Minimal und Pop einfach als Titel für die Happenings ihrer "Minimal-Pop"-Bewegung zusammenklitterte.

Für Museen und Wissenschaftler gab es also viel Futter, als sie sich mit jahrzehntelanger Verspätung dieses Werk einverleibten. Die erste Einzelausstellung in Europa richtete man Teresa Burga im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart aus, das war 2011, lange bevor Okwui Enwezor sie zu seiner Biennale-Ausstellung in Venedig einlud. Große Museen wie die Londoner Tate Modern, die Kestner-Gesellschaft in Hannover und das Kölner Museum Ludwig würdigten schlussendlich ihr singuläres und höchst autonomes Werk. Und sie bewiesen durch Ankäufe auch, wie verbunden es bei aller distanzierenden Ironie den Avantgarden des zwanzigsten Jahrhunderts war. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Teresa Burga am vergangenen Donnerstag in Lima gestorben. Sie wurde 85 Jahre alt.

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