Süddeutsche Zeitung

Teeniestar Taylor Momsen:Das Böse im Mädchen

Lesezeit: 3 min

Soll ich mich etwa anziehen als wäre ich 30? Nach Vampiren, die kein Blut saugen, und Boygroups, die Enthaltsamkeit preisen, ist Taylor Momsen endlich mal wieder ein Teenie-Idol in Strapsen.

Hannah Beitzer

Morgens, halb elf in Amerika: Die Welt ist bunt und kuschelig, jedenfalls im Frühstücksfernsehen. Ein Moderator mit blendweißem Lächeln und eine Moderatorin mit betonierter Föhnfrisur sitzen auf einem roten Sofa, rosa Blumen im Hintergrund. Ihnen gegenüber lümmelt ein Wesen von einem anderen Stern.

Die Augen sind dick mit schwarzem Kajal umrahmt, die blondierten Haare zotteln bis auf die Hüften. Der Rock ist so kurz, dass er unter der engen Lederjacke kaum zu sehen ist. Zwei dürre Beine in halterlosen Strümpfen und Bikerstiefeln wippen ungeduldig zu den Fragen der Moderatoren. "Ziehst du dich nicht ein bisschen zu aufreizend an für dein Alter?", will der Moderator wissen. "Soll ich mich etwa anziehen, als wäre ich schon 30", schnappt die Gefragte zurück. Dreißig ist unerhört alt für die Schauspielerin und Sängerin Taylor Momsen. Sie ist vor kurzem 17 geworden. "I don't give a shit", sagt sie. Scheiße? Im Frühstücksfernsehen? Amerika ist hellwach.

In letzter Zeit hatte man sich schon gefragt, was das bloß für Teenie-Idole sind, die als solche gehandelt werden. Vampire, die kein Blut saugen (Robert Pattinson). Boygroups, die Enthaltsamkeit preisen (Jonas Brothers). Eine Generation, in der Hot Pants auf der Bühne schon einen Skandal auslösen (Miley Cyrus) und ein gelangweilter Gesichtsausdruck als Rebellion durchgeht (Kristen Stewart). Taylor Momsen hingegen befasst sich nicht mit kurzen Hosen, sie tritt mit ihrer Band The Pretty Reckless gleich in durchsichtigen Korsagen, Netzstrümpfen und Stripperinnen-Plateau-Schuhen auf. Bekannt wurde sie als Jenny Humphrey in der Fernsehserie "Gossip Girl".

Es geht darin um eine Gruppe ebenso reicher wie neurotischer New Yorker Highschool-Jugendlicher, ihr kompliziertes Liebes- und Sexleben, ihr Geld und ihre Intrigen. Jenny ist die kleine Schwester des Hauptdarstellers, die versucht, in die Clique der schönen Upper-Class-Mädchen aufgenommen zu werden. Sie stiehlt, betrügt, lügt und entfernt sich immer weiter von dem netten Mädchen, das sie einmal war. Über keine andere Figur wird auf den Fanseiten so leidenschaftlich diskutiert. Während alle anderen Charaktere keinerlei Entwicklung durchmachen, kann man Jenny Humphrey beim Absturz zusehen. Momsen schreit, weint und scheitert mit einer solchen Intensität, dass sie die anderen Figuren blass aussehen lässt.

Gossip Girl gegen die Langeweile

Auch im wahren Leben schnappt Taylor Momsen regelmäßig über, gern in Interviews. "Mein bester Freund ist mein Vibrator", sagte sie in einem Magazin auf die Frage, ob sie einen Freund habe. "Ich bin katholisch erzogen. Habe auch mal mit einem Priester geschlafen", behauptete sie im Radio, als der Moderator mit ihr über Religion sprechen wollte. Auf sein entsetztes Schweigen hin - der katholische Missbrauchskandal war eines der bestimmenden Themen der Zeit - brach sie in Gelächter aus: "War bloß ein Witz!" Oder sie zieht über Kollegen her. "Ich bin keine scheiß Miley Cyrus", sagt sie. Und dass sie die Walt-Disney-Bubblegum-Welt "jämmerlich" fände.

Taylor Momsen ist selbstgerecht. Zickig. Zu gewollt provokant. Pubertär eben. Ein Segen! Denn das macht sie zu einer wohltuenden Abwechslung in Klatschzeitschriften, auf Modeschauen und Preisverleihungen, auf denen sonst nur traurige Gestalten wie die betrunkene Lindsay Lohan ein bisschen Drama provozieren.

Taylor gilt in den USA als alternative Mode-Ikone, zierte etliche Zeitschriftencover, auch die Teen Vogue. Mit ihrer Hardrock-Band tourt sie gerade durch die USA und Großbritannien. Die 17-Jährige schreibt ihre Songs selbst. "Taste me, drink my soul, show me all the things that I shouldn't know", singt sie. Von so viel expliziter Sexualität können die blutleeren Twilight-Vampire nur träumen. Eine überraschend tiefe und kräftige Stimme röhrt aus Momsens magerem Körper. Als "typischen Angry-Girl-Rock" bezeichnete der Guardian den Sound. Und nun hat auch noch die Mutter aller bösen Mädchen Taylor für sich entdeckt. Sie ist das Gesicht der Modelinie "Material Girl", die Madonna und ihre Tochter Lourdes - selbst längst zur Teenie-Stilikone hochgelobt - im August auf den Markt brachten.

Vom Grinch zum Grunge

Ob Momsen nach der Sommerpause zu Gossip Girl zurückkehrt, ist unklar. Auf den Fanseiten heißt es, die Produzenten hätten die Nase voll von ihren Eskapaden. In Internetforen beschimpft man sie wegen ihren offenherzigen Äußerungen als "Schlampe" und "Miststück", kritisiert ihren Drang nach Aufmerksamkeit. Abzusehen war das wohl nicht, als sie im Alter von sieben Jahren als süßer Blondschopf in dem Weihnachtsfilm "Der Grinch" aufgefallen ist. Längst wird sie mit der abgewrackten Cobain-Witwe Courtney Love verglichen. Doch auch in diese Schublade lässt sich Taylor Momsen nicht stecken. Nie sah man sie betrunken aus einem Club torkeln. Nie sah man sie mit einem Sex- oder gar Liebespartner. Selbst auf ihre Ähnlichkeit zu Courtney Love angesprochen, sagt sie nur: "Ich will nicht Courtney sein. Ich will Kurt Cobain sein! Er war ein Genie."

Dabei wäre Taylor Momsen beinahe Hannah Montana geworden, bevor sich Walt Disney für die brave Miley Cyrus entschied. Glück gehabt, werden die sich heute wohl denken.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2010
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