Teenie-Idol Robert Pattinson:Vampirchen mit Beißhemmung

Kreischen "Bis(s) zum Morgengrauen": Da kann er sich selbst noch so langweilig finden - "Twilight"-Schauspieler Robert Pattinson macht die junge Damenwelt verrückt.

Tanja Rest

Ja sicher, Millionen Mädchen halten Robert Pattinson in diesem Moment für das Aufregendste, was der Leinwand seit dem Debüt von Johnny Depp passiert ist, ihm selbst aber fällt zum gleichen Thema immer wieder nur ein Wort ein: "boring". Seine Kindheit? "Eher langweilig." Sein Jahr in einer Londoner WG, mit Kumpels, Musik und reichlich Alkohol? "War toll, aber nach einer gewissen Zeit wird es langweilig." Seine Freizeit, seine Klamotten, sein - aufgepasst: Liebesleben? "Hmm, ich weiß nicht, da gibt es nicht viel zu erzählen. Ziemlich langweilig, fürchte ich."

Teenie-Idol Robert Pattinson: Findet sich selbst unglaublich langweilig: Teenie-Idol Robert Pattinson.

Findet sich selbst unglaublich langweilig: Teenie-Idol Robert Pattinson.

(Foto: Foto: ddp)

Zunächst sieht das aus wie eine Pose: der junge coole Hund, den die Hysterie der letzten Monate nicht groß beeindruckt hat. Dann denkt man, dass er vielleicht einfach erschöpft ist von zu vielen Interviews - immerhin räumt er ein, dass er sich nur mit Cola und Kaffee über Wasser hält und versucht, die Finger von den Zigaretten zu lassen. Als nach einer Viertelstunde das Wort "boring" zum achten Mal fällt, hält man es aber wirklich für möglich: dass dieser 22-Jährige, den das Magazin People soeben unter die "Sexiest Men Alive" einsortiert hat, sich so ganz und gar belanglos findet.

Zutreffend ist, dass Robert Pattinson bis zum 21. November 2008 kein Ruf vorauseilte; niemand, am allerwenigsten er selbst, konnte ahnen, was der Start von "Twilight - Bis(s) zum Morgengrauen" auslösen würde. Die Verfilmung des Bestsellers von Stephanie Meyer mit Pattinson als Vampir Edward Cullen, der sich in die sterbliche Bella Swan (Kristen Stewart) verliebt, spielte in den USA am Eröffnungswochenende 70 Millionen Dollar ein und katapultierte den britischen Schauspieler in den Rang eines Posterboys für Mädchen, denen die Jonas Brothers zu sauber sind, Pete Doherty aber zu viele Drogen nimmt. Geheimnisvoll, aber nicht bedrohlich: Das ist seine Nische.

An diesem Donnerstag startet der Film in Deutschland, und Pattinson hat inzwischen all das erlebt, wovon man erzählen können muss, um als next Teenie-Idol international vermittelbar zu sein: Bei einem Auftritt auf der Comic-Convention in San Diego kam es zu einer Massenhysterie; eine Mall in San Francisco musste während einer Autogrammstunde geräumt werden, weil schluchzende Mädchen gegen die Fenster gedrückt wurden; er war Gast bei Jay Leno; die Moderatorin Tyra Banks hat ihm ihren blanken Hals hingereckt und darum gebeten, sie zu beißen. Neben all dem ging praktisch unter, dass die Filmkritik in den USA seine Leistung eher ungnädig aufgenommen hat und die Meyer-Stammleserschaft bemängelte, er sei für die Rolle nicht schön genug - eine Einschätzung, die Pattinson sofort bestätigte.

Am Hals von Tyra Banks

Nun sitzt man ihm also im Bayerischen Hof in München gegenüber: einem jungen Mann, britisch-bleich, mit markant geschnittenem Gesicht, zerzausten Haaren und Freizeitklamotten, der sich stockend an seinem Herzensbrecher-Image abarbeitet. Er fahre einen gebrauchten BMW, trage Secondhand-Klamotten und besitze das billigste Handy der Welt, erzählt Pattinson fast entschuldigend, eigentlich gebe er überhaupt kein Geld aus. Er habe keinen festen Wohnsitz und seit längerem auch keine Freundin, die Kuss-Szenen im Film seien ihm peinlich gewesen. "Freunde rufen mich an und sagen: Dieser scharfe Typ, von dem jetzt alle schreiben, damit bist du gemeint? Das ist ja wohl ein Witz!" Für einen, der ein Star sein soll, hat das beinahe etwas Selbstzerstörerisches.

Robert Pattinson ist im Londoner Vorort Barnes aufgewachsen, der Vater verkauft Autos, seine Mutter arbeitet in einer Model-Agentur. Er spielte Gitarre und Keyboard und hätte wohl genauso gut auch Musiker werden können, stattdessen landete er am Theater. Seinen ersten Leinwandauftritt hatte Pattinson in "Harry Potter und der Feuerkelch", wo er als Schüler Cedric Diggory einen makellos schönen Heldentod starb.

"Danach passierte erst mal nichts." Bis zu diesem Punkt klingt seine Lebensgeschichte, wie er sie erzählt, als sei ihm alles immer irgendwie zugestoßen, und vielleicht stimmt das sogar. Jedenfalls ist keine Ambition, keine Begeisterung, kein erkennbares Ziel herauszuhören. Bis er für den Part des Edward vorsprach. Es sei das erste Mal gewesen, dass er eine Rolle wirklich haben wollte, sagt Pattinson - obwohl er das Buch nicht kannte, obwohl er glaubte, der Falsche zu sein. "Das ging so weit, dass ich der Regisseurin nach dem Casting eine Mail geschrieben habe. Ist das nicht peinlich?"

Keuscher Sexgott

Er bekam die Rolle, und wer "Twilight" gesehen hat, kann sein Befremden darüber nachempfinden, dass er plötzlich als Sex-Gott gehandelt wird. Pattinson - ganz der sanfte Rebell mit Sturmfrisur und Weltschmerz im Blick - spielt einen Vampir, der zwar schwer verknallt ist, aber immer an sich halten muss, weil er im Liebesrausch ja zubeißen könnte. . . Also eher Beschützer als Lover, Verführer statt Vollstrecker. Von ein paar bebenden Küssen abgesehen, bleibt der Film so keusch wie ein Pilcher-Themenabend und hat genau deshalb Erfolg bei der Zielgruppe. Ein junger Finsterling mit Fangzähnen, der nach dem ersten Date gleich voll zur Sache kommt: Das wäre wohl nicht unbedingt das, was 15-jährige Mädchen romantisch finden.

Zwölf Millionen Dollar, so heißt es, werde Pattinson für die geplante Fortsetzung kassieren. Er bestreitet das heftig und betont mit kaum überhörbarer Befriedigung, dass er in "Bis(s) zur Mittagsstunde" nur noch eine Nebenrolle habe. Am nächsten Tag gibt Robert Pattinson in einem Münchner Einkaufszentrum Autogramme, wobei es zu Beinahe-Ohnmachtsanfällen kommt. Wie hat er zum Abschied noch gesagt: "Ich reise in eine Stadt, gehe dort in eine Mall, werde angekreischt und reise weiter zur nächsten Stadt." Er trägt es mit Fassung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: