Einen muss es immer geben, der abseits steht. Der niemals mitmachen darf, beim Spielen, beim Raufen, im Getümmel. Weihnachten '85 zum Beispiel, in Boston, der kleine John Bennett. Weihnachten ist gewöhnlich der Tag, da die Schuljungs sich zusammentun, um den Judenjungen in der Nachbarschaft zu verprügeln. Der Tag also, an dem John Bennett schmerzlich wieder einmal erfahren muss, dass er der Außenseiter ist. Und die bitterste, definitive Abfuhr erteilt kriegt, die man sich denken kann . . . Hau bloß ab, sagt, aus dem wilden Haufen der Prügelnden heraus, der Verprügelte, der Judenjunge . . .
Dazugehören - das große amerikanische Thema und Trauma. Wie in Amerika Gemeinschaft sich bildet, lässt sich mit den Kategorien der klassischen politischen und soziologischen Theorie nur schwer fassen. Der Buddy bildet in Amerika dabei das Zentrum, und der ist in diesem Film ein Teddy.
27 Jahre später ist John immer noch der Außenseiter. Weit zurückgeblieben in seinen Ansprüchen, Freuden, Möglichkeiten. Vor dem Fernseher rumlungern, den alten Flash-Gordon-Film von 1980 angucken, mit Stan Jones, ein bisschen kiffen und dazu eine Menge Alkohol. Und am schönsten ist es, wenn er das alles zusammen mit Ted tut.
An dem Weihnachtsabend damals hat John einen großen Teddy geschenkt bekommen, und in der Nacht hat er sich dann gewünscht, der möge doch sprechen. Mehr als das eingebaute, quäkende "I love you" - richtig sprechen. Und durch magische Koinzidenzen ist in dieser Nacht der Wunsch in Erfüllung gegangen.
Und nun hockt Ted neben ihm auf der Couch, rauchend und lästernd, über Gott und die Welt und Adam Sandlers schrecklichen neuen Film - es ist tatsächlich "Jack and Jill", mit Sandler doppelt - und das unvermeidliche 9/11.
Gewisse Zwiespältigkeiten
Zwei eckige Stofffetzen sind ihm als Brauen über die Augen gepappt, und es ist faszinierend, wie sie durch minimalistische Verschiebungen den Gesichtsausdruck wechseln lassen, vom Bekümmerten ins Geile. Der Filmemacher Seth MacFarlane, der mit den TV-Zeichenserien "Family Guy" und "American Dad" ungeheuer erfolgreich ist, leiht ihm selbst seine whiskeyraue Stimme und gibt ihm die Bewegungen vor, die mit Hilfe des Motion-Capture-Systems aufgezeichnet und dann von den Computerleuten in die des animierten Teddys verwandelt werden.
"Ted" spielte Ende Juni, Anfang Juli am Startwochenende in den USA 54,1 Millionen Dollar ein, das höchste Ergebnis für einen Film mit R-Rating, also unter siebzehn verboten - und auch auf dem zweiten Platz kam diese Woche ein Film mit R-Rating, Steven Soderberghs "Magic Mike" mit 39,1 Millionen, über die Abenteuer männlicher Stripper.
"Ted" ist auf sympathische Weise ordinär und obszön, er behandelt durchaus auch das private und sexuelle Leben eines ganz normalen amerikanischen männlichen Teddys mit gesundem, von keinem Tabu bedrängten Triebleben - und kommt dabei um gewisse Zwiespältigkeiten nicht herum.
Die Krise scheint fern
Unglaublich elegant zieht Ted im Supermarkt unter den Blicken der Frauen unanständige, eindeutige Gesten durch, aber natürlich begnügt er sich mit diesen Gesten nicht. Was den Film noch einen Grad aufregender macht als die Kumpelkomödien aus der Judd-Apatow-Fabrik.
Der Ton von "Ted" ist prollig, aber anders als die Boston-Filme von Ben Affleck, Brian Goodman oder Clint Eastwood spielt er nicht auf den Mean Streets der Arbeiterviertel, sondern im Mittelstand.
John arbeitet in einer Autovermietung, und hat, trotz einer gewissen Schludrigkeit, durchaus Aufstiegschancen. Seine Freundin - Mila Kunis - ist in einer PR-Agentur engagiert, deren junger Boss sie gerne privat ein wenig promoten würde. Die Krise scheint fern. Man gönnt sich extrem teure Luxusrestaurants und geht aufs Norah-Jones-Konzert.
Die Lümmelhaftigkeit, die John und Ted praktizieren - Mark Wahlberg kriegt selbst immer wieder Schmollmund und Knopfaugen -, sabotiert diesen Lebensstil und ist doch dessen innerer Kern.
"Je nach der Mode und nicht nach der Moral"
Selbst bei Baudrillard, der wahrlich nicht als ungläubiger Thomas durchs moderne Amerika fuhr, klingt immer noch ein wenig Verblüffung an, wenn er diesen Lebensstil beschreibt und die Zeichen der Befreiung, die ihn markieren: "Befreit ist nicht der Mensch in seiner idealen Realität, in seiner inneren Wahrheit oder seiner Transparenz - befreit ist der Mensch, der den Raum wechselt, der umhergeht, der Geschlecht, Kleidung und Lebensgewohnheiten je nach der Mode und nicht nach der Moral wechselt . . . So sieht die praktische Befreiung aus, ob man will oder nicht . . ."
Als John Ted nach dem Namen der neuen Freundin im Supermarkt fragt, lässt der ihn raten - es sei ein White-Trash-Name. Und John rattert minutenlang Frauennamen herunter, eine tolle sportlich-poetische Leistung, er lässt es einfach raus.
Es ist die Infantilität des amerikanischen Way of Life, die Seth MacFarlane sichtbar macht, indem er ihn auf den Körper eines Plüschbären projiziert. In den 27 Jahren seiner Existenz ist Ted selbstverständliches Mitglied der Gesellschaft geworden, gerade auch in seinen maskulin-ruppigen Momenten. Man bittet ihn, für Erinnerungsfotos zu posieren im Park. Und John, der Außenseiter, der Underdog, der Flash-Gordon-Fan - vielleicht hat er gar europäische Brüder im Geiste. Einmal sieht man ihn auf dem Bett liegen, comiclesend, einen "Tintin"-Band.
Ted, USA 2012 - Regie: Seth MacFarlane. Buch: Seth MacFarlane, Alec Sulkin, Wellesley Wild. Kamera: Michael Barrett. Schnitt: Jeff Freeman. Musik: Walter Murphy. Mit: Mark Wahlberg, Mila Kunis, Giovanni Ribisi, Joel McHale, Patrick Warburton, Laura Vandervoort, Jessica Stroup. Universal, 110 Minuten.