Tassilo-Preis:Würdigen und Ermutigen

Das Lokal-Ressort der "Süddeutschen Zeitung" vergibt alle zwei Jahre den Tassilo-Preis an Künstler und Kulturschaffende aus der Region München. In diesem Jahr kommt zu den bestehenden zehn Auszeichnungen ein weiterer Preis dazu: der mit 1000 Euro dotierte Sozialpreis

Von Udo Watter

Ein Philosoph, der seit vielen Jahren am Starnberger See wohnt - und vielleicht schon lange heimlich auf einen Tassilo-Preis für sein Lebenswerk hofft - ist unter anderem mit der These vom "herrschaftsfreien Diskurs" bekannt geworden. Voraussetzung dafür ist die "ideale Sprechsituation", die auf etlichen Bedingungen beruht, etwa dass alle Teilnehmer die gleiche Chance haben, "kommunikative Sprechakte zu verwenden", auf Freiheit von Zwängen, auf dem Postulat der Redegleichheit und keinerlei Vorrecht aufgrund von Alter, Erfahrung oder Autorität.

Wahrscheinlich hat Christian Krügel, Chef des MRB-Ressorts der Süddeutschen Zeitung, das alle zwei Jahre den Tassilo-Preis an Künstler und Kulturschaffende der Region München vergibt, nicht an Jürgen Habermas gedacht, als er nach kurzer Einführung den Sitzungsraum verließ, in dem die Jury tagte. Aber sozusagen den Weg frei gemacht für eine Annäherung an das, was der berühmte Philosoph eine "ideale Diskursgemeinschaft" nennt, die frei von äußeren Autoritäten und im Sinne der Vernunft das bessere Argument sucht. Anders gesagt: Die Aufgabe der siebenköpfigen Jury war anspruchsvoll. Die SZ-Redaktion hatte zwar eine Vorauswahl getroffen - ursprünglich waren mehr als 90 Kandidaten auf Vorschläge von SZ-Lesern hin nominiert worden - es blieben noch 65 Kandidaten übrig. Neben Sabine Reithmaier und Rudolf Neumaier, beide SZ-Redakteure, setzte sich das Gremium aus Elisabeth Carr, Veranstalterin aus Starnberg, Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, der Pullacher Kulturamtsleiterin Hannah Stegmayer, dem Leiter des Ismaninger Kallmann-Museums Rasmus Kleine sowie Amadeus Gregor Böhm, Geschäftsführer des Labels Flowerstreet Records, zusammen. Zu vergeben: drei Hauptpreise (je 2000 Euro), sieben weitere Preise (je 500 Euro), ein Ehrenpreis für ein Lebenswerk (1000 Euro) und als Novum heuer bei der neunten Auflage der Sozialpreis (1000 Euro). Dabei ist die Intention nicht, arrivierte Künstler auszuzeichnen, sondern auf Kulturschaffende aufmerksam zu machen, die Förderung bedürfen und Menschen zu würdigen, die "Kultur von unten" machen und für die kulturelle Vielfalt der Region stehen.

Tassilo-Preis: Die Tassilo-Jury: (von links) SZ-Redakteurin Sabine Reithmaier, der Geschäftsführer des Münchner Labels Flowerstreets Records Amadeus Gregor Böhm, Pullachs Kulturamtsleiterin Hannah Stegmayer, der Chef des Ismaninger Kallmann-Museums Rasmus Kleine, die Starnberger Veranstalterin Elisabeth Carr, SZ-Redakteur Rudi Neumaier und Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler.

Die Tassilo-Jury: (von links) SZ-Redakteurin Sabine Reithmaier, der Geschäftsführer des Münchner Labels Flowerstreets Records Amadeus Gregor Böhm, Pullachs Kulturamtsleiterin Hannah Stegmayer, der Chef des Ismaninger Kallmann-Museums Rasmus Kleine, die Starnberger Veranstalterin Elisabeth Carr, SZ-Redakteur Rudi Neumaier und Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler.

(Foto: Michael Artur Koenig)

Der Prozess der Entscheidungsfindung läuft in mehreren Runden ab, bei denen Favoriten genannt, peu a peu Kandidaten ausgesiebt werden und man sich gegebenenfalls wieder von einem bevorzugten Aspiranten verabschiedet. Carr und Göttler sind nicht zum ersten Mal bei einer Jury-Sitzung im SZ-Hochhaus. Böhm kennt sich vor allem bei jungen Bands aus, Kleine und Stegmayer sind Experten im Bereich Bildende Kunst. Natürlich können sie nicht alle Kandidaten gleich gut einschätzen, aber heuer gab es etwa die Gelegenheit, Hörproben von Bands, Ensembles und Musikern zu hören. Die Jury-Mitglieder konnten zudem auch die ihnen gegenüber sitzenden Redakteure der SZ-Regionsausgaben konsultieren. Da gibt es etwa die Frage, ob sich diese eine Chorleiterin nur persönlich produziere, welches Ego diesen Dichter antreibe, oder ob der Stil dieser Band tatsächlich so originell sei. Nach rund vier Stunden und leidenschaftlichen Diskussionen war es geschafft: "Ich denke, mit dem Ergebnis können wir alle sehr gut leben" , erklärt Rasmus Kleine. Die optimale Befriedigung der Bedürfnisse aller im Habermas'schen Sinne war naturgemäß dennoch nicht möglich - verdient hätte ja fast jeder der Vorgeschlagenen einen Preis.

Die Tassilo-Preisträger: Bluestrings (Landkreis Fürstenfeldbruck), Felicia "Fee" Brembeck (Lkr Fürstenfeldbruck),Ricarda Geary (Lkr München), IG Jazz (Lkr Ebersberg), Heinrich Klug (Lkr Starnberg), Aja von Lerchenhorst (Lkr Bad Tölz-Wolfratshausen), Anton G. Leitner (Lkr Starnberg), Kulturverein Wirtshaus am Erdweg (Lkr Dachau), Stefan Stefanov (Lkr München), Sweet Lemon (Lkr Freising), The Living (Lkr Erding), Verein Sovie (Lkr Erding). Wer welche Auszeichnung erhalten hat, wird erst bei der Preisverleihung am 11. Juli in Krailling bekannt gegeben.

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