Tanztheater:Und ewig lockt das Weib

Das Ballett der Dresdner Semperoper glänzt mit "Manon" - Porträt einer Hure und Gesellschaftsstück.

Von Dorion Weickmann

Ein Sittenbild des Ancien Régime, von einem Tanz-Großmeister 1974 koloriert und seitdem kein bisschen verblasst: Im Salon eines so luxuriösen wie zwielichtigen Etablissements gleitet eine Frau (Melissa Hamilton) durch Herrenhände (Foto: Ian Whalen). Die Blicke der Männer schwanken zwischen Bewunderung und Gier, doch Zudringlichkeiten prallen ab am Kordon der Macht, den die Frau um sich gezogen hat. Ihre Arme gleichen lasziven Tentakeln, die Beine spreizt sie wie unerreichbare Fetische in die Luft, das Wissen um die eigene sexuelle Attraktion steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ein paar Episoden später wird die Edel-Kokotte in einem Sumpfgebiet verrecken, in den Armen eines Hungerpoeten - des Einzigen, den sie je liebte. Und das Publikum, das Auf- und Abstieg der "Manon" alias Melissa Hamilton beim Ballett der Dresdener Semperoper beigewohnt hat, wird stehend applaudieren. Während Lady Deborah MacMillan, die Witwe des Choreografen Kenneth MacMillan und Gralshüterin seines Werks, von der Königsloge aus eher Beifall nickt denn klatscht.

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