Tanz:Isabelle Schad

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(Foto: Dajana Lothert)

Von Dorion Weickmann

Berliner Tanzgewächse verkümmern oft schon im Lauf der ersten Jahre. Fördergelder aus der kommunalen Gießkanne sorgen zwar dafür, dass manche anfangs prächtig gedeihen und vielversprechende Blüten treiben. Dann aber fehlt es an Geld, und deshalb wachsen nur die allerwenigsten weiter, um irgendwann das Reife-Stadium zu erreichen. Die Choreografin Isabelle Schad, 48, ist seit bald zwanzig Jahren in der Hauptstadt-Tanzszene unterwegs und - echte Rarität - immer noch für Überraschungen gut. Die jüngste hat sie soeben beim Berliner Festival "Tanz im August" gezündet, das anlässlich seiner 30. Ausgabe ausnahmsweise auch ortsansässige Künstler im Hauptprogramm zeigt. Eine Entscheidung, die Isabelle Schads "Inside Out" mit Hingucker-Qualität belohnt.

Zunächst hat die Tanzmacherin für sich und ihre zwölf Mitstreiter einen genialen Schauplatz gefunden: Die Industrie-Architektur der ehemaligen Kindl-Brauerei, mitten in Neukölln gelegen, besitzt jene Monumentalität, in der sich Schads bewegte Körperskulpturen am besten entfalten können. "Inside Out", über weite Strecken ein Best-of bereits existierender Arbeiten, beweist deutlich, dass die Werke dieser Künstlerin die Begrenzung einer Guckkastenbühne überhaupt nicht vertragen. Minimale Shifts, kaum wahrnehmbare Übergänge, unendliche Variationen ein und derselben, für sich genommen unspektakulären Geste - das alles verdichtet sich im White Cube des Kindl-Baus zu einer großen Bewegungsfuge, einem an- und abschwellenden Strom von Energie.

Nichts geschieht unbedacht, niemand nimmt einfach so die Arme über den Kopf oder die Hände in den Schoß. Alles hat rituellen Charakter: die sich kreuzenden Blickachsen, die Achter-Kreise der Ellenbogen, der hin und her federnde Oberkörper. Schad selbst schnappt sich zuletzt zwei Kissen, legt sich hinters Geschehen und schaut einfach zu. Maximal entspannt, genau wie das Publikum. "Inside Out" ist eine herrlich meditative Session, eine Atempause. Auszeit, nicht nur vom hektischen Festival-Betrieb.

© SZ vom 18.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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