"Tammy" im Kino:Undamenhaft derb

"Tammy" im Kino: Melissa McCarthy in einer Szene von "Tammy"

Melissa McCarthy in einer Szene von "Tammy"

(Foto: AP)

In der Komödie "Tammy", inszeniert von ihrem Ehemann Ben Falcone, dreht Melissa McCarthy wieder so richtig auf. Dabei ignoriert sie gekonnt sämtliche ungeschriebenen Hollywood-Gesetze.

Von Susan Vahabzadeh

Den Hirschtest besteht Tammy schon mal nicht, damit beginnt ein lausiger Tag: Sie ist in ihrer Rostlaube auf dem Weg zur Arbeit, als das Tier ihr vor die Motorhaube springt, aus dem Duell geht der Hirsch als klarer Sieger hervor. Der Manager des Fastfood-Restaurants, in dem sie bedient, feuert sie prompt; und schließlich zu Hause, überrascht Tammy ihren Mann mit der Nachbarin, auch diese Schlacht verliert sie.

Tammy stürzt sich in jeden Kampf, der nach zwei Sekunden zum tollpatschigen Rückzugsgefecht wird - was größtenteils daran liegt, dass sie dem Leben mit der Reife einer 15-Jährigen begegnet.

Melissa McCarthy ist ein Phänomen, sie ist in den letzten Jahren zu einem richtig großen Star geworden, mit ihrer Sitcom Mike & Molly und vor allem mit den beiden Kinoerfolgen "Brautalarm" und der Frauen-Buddy-Komödie "The Heat" (die auf deutsch den unpassenden Titel "Taffe Mädels" trug), zusammen mit Sandra Bullock.

Tammy haut dann ab aus dem unwirtlichen Kaff, mit ihrer trunksüchtigen Oma (Susan Sarandon) geht es nach Louisville. Der Tonfall ist ein bisschen anders als bei "Brautalarm" - die beiden zahlen für ihr trinkfreudiges Lotterleben einen Preis, und Tammy muss dann doch lernen, sich endlich wie eine Erwachsene zu benehmen. Das rüttelt dann ganz schön am Traum der Nesthocker, die Kindheit bis ins hohe Alter auszudehnen.

Höchstens ein Vorbild

Besonders virtuos ist "Tammy" vielleicht nicht, aber bis in die kleinen Nebenrollen wunderbar besetzt - Dan Aykroyd ist Tammys Vater, Kathy Bates hat einen großartigen Auftritt als weise lesbische Cousine - und als Komödie durchaus solide. McCarthy hat sich das Drehbuch selbst auf den Leib geschrieben, zusammen mit ihrem Mann Ben Falcone, der den Film auch inszeniert hat. Erfolg ist ihr damit sicher, und das hat schon seine Gründe: In ihr können sich viele Zuschauer wiedererkennen, und sie ist, im Kino jedenfalls, originell: Keine andere Schauspielerin widersetzt sich so gründlich allen ungeschriebenen Hollywood-Gesetzen wie Melissa McCarthy, die nicht aussieht wie ein Star, ihre Rollen mit einem undamenhaft derben Humor spielt. Für sie gibt es höchstens ein Vorbild - Roseanne Barr und ihre Sitcom Roseanne in den Achtzigern.

McCarthy geht mit ehernem Selbstbewusstsein aber noch ein bisschen weiter. Dass merkwürdige Jungs irgendwie doch so toll sind, dass sie die großartigsten Mädchen abkriegen - das ist als Komödien-Wendung seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner. Andersrum ist das eher selten, aber Melissa McCarthy ist ja bei "Tammy" in jeder Hinsicht der Chef und gönnt ihrer Figur den schnuckeligen Mark Duplass, den sie in Louisville erst einmal plump anmacht und der sich dann doch nach und nach in sie verknallt.

Manche der Kritiken, die zu "Tammy" in den USA gerade erschienen sind, haben den Film und seine Schöpferin mit einem Furor verdammt, der nicht von ungefähr kommen kann - so viel Aggression gibt der Film eigentlich nicht her. Das hat dann wohl eher damit zu tun, dass Melissa McCarthy eine der letzten Tabuzonen im Kino entdeckt hat: Wenn sie Tammy zur romantischen Heldin macht, bläst sie sozusagen zum Sturm auf den männlichen Anspruch auf angeborene Überlegenheit - auf das, was Helen Fieldings Romanheldin Bridget Jones "culture of entitlement" nannte. Die trank auch gern einen über den Durst und hatte ein paar Pfund zu viel - aber Melissa McCarthy wäre diese Frauenfigur wahrscheinlich viel zu niedlich.

Tammy, USA 2014 - Regie: Ben Falcone. Drehbuch: B. Falcone, Melissa McCarthy. Kamera: Russ T. Alsobrook. Mit: Melissa McCarthy, Susan Sarandon, Mark Duplass, Kathy Bates, Toni Collette, Dan Aykroyd, Sandra Oh. Verleih: Warner, 96 Minuten.

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