"Tame Impala"-Popstar Kevin Parker:Am Telefon mit Mick Jagger

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Der Musiker Kevin Parker ist mit seinem Psychedelic-Rock-Projekt "Tame Impala" eine Schlüsselfigur des Pop geworden und wird jetzt von großen Stars wie Lady Gaga und Rihanna hofiert. Ein Treffen.

Von Jan Jekal

Musikalische Eigenbrötler, die ihre Alben in obsessiver Alleinarbeit aufnehmen, sind nichts Neues. Dass diese Eigenbrötler in der Lage sind, daheim Musik zu erschaffen, die nicht nach Heimstudio, sondern nach High-End klingt, allerdings schon. Billie Eilish zum Beispiel, gerade mit Wagenladungen an Preisen überhäuft, hat ihr Popsuperwerk "When We All Fall Asleep, Where Do We Go?" gemeinsam mit ihrem Bruder Finneas in dessen Kinderzimmer aufgenommen.

Dank günstig verfügbarer Musiksoftware hat sich in den letzten Jahren ein neuer Typ Popmusiker durchgesetzt, den man als Autoren bezeichnen könnte, weil er über jeden Arbeitsschritt - Songwriting, Performance, Produktion, Mischung, Mastering - die volle kreative Kontrolle behält. Ein zweiter neuer Typ Popmusiker, der ebenfalls erst durch das Internet entstehen konnte, ist der Popmusiker als Kurator, der Typ Kanye West, dessen kreative Leistung nicht zuletzt darin besteht, interessante Leute zusammenzubringen, aufeinander reagieren zu lassen und in eine Richtung zu lenken.

Kevin Parker, das 34-jährige Mastermind hinter dem Psych-Pop-Projekt Tame Impala, ist eine Schlüsselfigur der modernen Popmusik, weil er sich höchst erfolgreich in beiden Welten bewegt. Sein letztes Album "Currents" (2015), ein in sakralen Hallräumen spacig schwingendes Gesamtkunstwerk aus glitzernden Disco-Tracks und Synth-Balladen, wurde von Kritikern allerorts als Meisterwerk gepriesen und war zudem - eine seltene Kombination - ein kommerzieller Riesenerfolg. Der Australier, der mit seinen schulterlangen Haaren noch immer wie der Psychedelic-Rocker aussieht, der er vor zehn Jahren war, gehört seit dem Erscheinen des Albums zur Liga der Auserwählten, die zur Primetime auf den größten Festivalbühnen der Welt spielen, die von Rihanna gecovert und von Mick Jagger mit der Bitte um einen Remix angerufen werden.

An einem grauen Wintertag gibt es die Gelegenheit mit Parker zu sprechen, über sein neues Tame-Impala-Album "The Slow Rush", das erste in fünf Jahren, und über seine Insider/Außenseiter-Rolle imPop. "Das ist eine ganz eigene Welt", sagt Parker, der in den letzten Jahren mit Kanye West, Lady Gaga und Travis Scott gearbeitet hat, über die Zuarbeit für Megastars. "Ich bin nicht gut darin, kreativ zu sein, wenn Leute mir dabei zuschauen, also bereite ich in meinem eigenen Studio etwas vor und bringe das dann mit." Er schicke Ideen per Mail, die Leuten wie Lady Gaga dann vorgespielt werden, und wenn diese ihnen gefallen, lasse man ihn einfliegen. "Letztlich sind es dann aber auch nur ein paar Leute in einem Raum, und es gibt dieses Gemeinschaftsgefühl von Musikern unter sich."

In den Texten reflektiert er seinen neuen Star-Status, bricht ihn mit melancholischen Wendungen.

Künstler, die wie Parker ursprünglich aus einem Indie-Kontext kommen, sind beliebte Kollaborateure, weil sie neben originellen Impulsen auch Glaubwürdigkeit verleihen. Sie verdeutlichen zudem, wie durchlässig die Grenzen zwischen Mainstream und Indie, zwischen Pop und Hip-Hop in der Streaming-Ära geworden sind.

Parkers einsames Arbeiten für Tame Impala - er betont, dass er wirklich alles auf dem neuen Album selbst gemacht hat -, ist das Gegenteil zu dem hyper-kollaborativen Songwriting der Superstars. Versucht man, sich dem Kern von Parkers Kunst anzunähern und dem Grund, warum er gerade in der Hip-Hop-Welt so beliebt ist, landet man beim Klang seines Schlagzeugs. "Ich konkurriere mit elektronischer Musik", sagt er, "ein ungleicher Wettkampf. Dort sind die Drums gesampelt, klingen super sauber und kräftig. Mit einem echten Drumkit diesen Sound hinzukriegen, ist eine Herausforderung." Parker ist als Instrumentalist Rockmusiker, spielt auf analogen Instrumenten alles selbst ein, und das hört man: die Körperlichkeit, den Nachhall im Raum. Und doch wummst es noch ein wenig härter und drängender. Denn als Produzent folgt er der Logik elektronischer Musik, motzt seine Beats in der Nachbearbeitung wuchtig auf, loopt sie zur Hypnose, bearbeitet sie in einer Software, die vor allem DJs nutzen, und verbringt Hunderte von Stunden damit, das Sounddesign eines einzigen Bass-Drum-Signals exakt zu kalibrieren. Wie ein Regisseur, der seinen Film erst im Schnitt findet, nimmt der Produzent Parker das Rohmaterial des Musikers Parker und formt es in obsessiver Kleinarbeit zu Popmusik, verbindet analog und digital, Proberaum und Techno.

"The Slow Rush" schließt klangästhetisch an das Vorgängeralbum "Currents" an, die Instrumentierung ist ein wenig diverser (Panflöten!), aber im Grunde leuchtet Parker bereits erschlossenes Gebiet weiter aus. Er legt flirrende Keyboards und Falsettgesänge über die Drums, schaufelt psychedelische Verfremdungseffekte übereinander. In den Texten reflektiert er seinen neuen Star-Status, bricht ihn mit melancholischen Wendungen. Singtdavon, mit Mick Jagger zu telefonieren, erwähnt gleich in der folgenden Zeile, dass er während des Telefonats nur an seinen verstorbenen Vater dachte, einen Rolling-Stones-Fan, der Parkers Karriere nicht mehr miterlebte.

Bedauern und Reue, Nostalgie und Grübeleien dominieren. Diese inhaltliche Rückwärtsgewandtheit drückt sich jedoch nicht in einem musikalischen Konservatismus aus. Parker verleiht der Musik, die er verehrt - Disco, Psych-Rock, Synthpop - mit seinem exquisiten Sounddesign einen Twist von zwingender Gegenwärtigkeit. Die Tausenden von allein daheim verbrachten Stunden haben sich mal wieder gelohnt.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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