Regisseurin Tamara Trampe ist tot:Menschen und ihre Gefühle

Lesezeit: 1 Min.

Die Dokumentarfilmerin Tamara Trampe. (Foto: Hermann Wöstmann/dpa)

Die Dokumentarfilmregisseurin Tamara Trampe ist im Alter von 78 Jahren gestorben.

Von Martina Knoben

In der Schlusseinstellung ihres Films "Weiße Raben" gibt die Regisseurin Tamara Trampe einem Vergewaltiger die Hand. Kiril, der im Tschetschenien-Krieg gekämpft hatte und in Gefangenschaft geriet, ist - wie die übrigen Protagonisten ihres Films - in der Heimat nie wieder angekommen. Der Junge, der so liebe Briefe aus dem Krieg nach Hause schrieb, kam halbwahnsinnig zurück und hat eine Neunjährige missbraucht. Die Dokumentarfilmerin Tamara Trampe beschönigt nichts an dieser Tat. Aber in der letzten Einstellung ihres Films ist eine Verbundenheit zu spüren, die auch dem Schmerzlichsten Raum lässt.

Tamara Trampe wollte die Menschen und ihre Gefühle verstehen, auch die von Tätern. In "Der schwarze Kasten" aus dem Jahr 1992 erzählt der ehemalige Stasi-Offizier Jochen G., der an der Hochschule des DDR-Geheimdienstes künftige Spione und Gefängnispsychiater ausbildete, von seiner Arbeit. Und auch von den Traumata in seinem Leben - auch dieser Täter ist zuerst Opfer gewesen.

Für "Weiße Raben - Alptraum Tschetschenien" erhielten sie den Grimme-Preis

Tamara Trampe konnte Menschen zum Sprechen bringen. "Können Sie sich an ein Lied erinnern, das Ihre Mutter Ihnen zum Schlafengehen gesungen hat?" fragen sie und Feindt in ihrer Doku "Wiegenlieder" (2010) Menschen in den Straßen Berlins.

Geboren wurde Tamara Trampe 1942 in der Sowjetunion, als Siebenjährige zog sie mit ihrer Mutter in die DDR. Ihre Familiengeschichte erzählte sie später im Film "Meine Mutter, ein Krieg und ich" (2014). Sie studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Slawistik. 1970 wurde Trampe Dramaturgin bei der DEFA, der Filmproduktionsgesellschaft der DDR. Nach 1990 und dem Ende der DEFA drehte sie ihren eigenen Filme, zusammen mit Johann Feindt. Für "Weiße Raben - Alptraum Tschetschenien" erhielten sie 2007 einen Grimme-Preis, für "Meine Mutter, der Krieg und ich" bekamen sie den Heiner-Carow-Preis der Defa-Filmstiftung.

Noch im September wurde sie mit dem Ehrenpreis des Verbandes der deutschen Filmkritik ausgezeichnet. In der vergangenen Woche ist sie nach langer, schwerer Krankheit in Berlin gestorben, wie die Akademie der Künste am Montag unter Berufung auf ihren Partner Johann Feindt mitteilte. Sie wurde 78 Jahre alt. Mit ihr verliert der deutsche Dokumentarfilm eine wichtige Stimme.

© SZ/knb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFrancis Ford Coppola
:"In meinem Kopf hatte ich versagt"

Der Regisseur Francis Ford Coppola über Wagnisse, junge Jahre und das, was man den Kindern dieser Welt nicht hätte antun dürfen.

Interview von Tobias Kniebe

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: