In Tom Buhrows Büro gibt es vier Fernsehbildschirme und zwei Telefone. An der Wand eine Karte der Bundesrepublik Deutschland, die aussieht wie aus dem Schulunterricht. Caren Miosga, 38, sitzt in Buhrows Büro, weil ihr neues, das Anne Wills altes ist, Susanne Holst zur Vorbereitung braucht, die noch bis Sonntag die "Tagesthemen" moderiert. Während des Gesprächs klopft die Sekretärin zweimal und erinnert an eine Beleuchtungsprobe. Miosga, die Neue, trägt Jeans, weiße Bluse, dunkles Jackett, und sie spricht sich: Mi-Osga.

SZ: Frau Miosga, sind Sie auf den Ernstfall vorbereitet? Könnte Ihr Kollege Buhrow schon Urlaub machen?
Caren Miosga: Ich habe an diesem Montag angefangen. Ich habe Hände geschüttelt, versucht, mich in den Räumlichkeiten zurecht zu finden, ich musste zum Einleuchten, die Kleiderordnung wurde besprochen.
SZ: Geschlossenes Haar, schlichtes Design?
Miosga: Blazer.
SZ: Schwarz oder dunkelblau?
Miosga: So etwas interessiert Sie? Tatsächlich haben wir mit Dunkelblau und Nadelstreifen begonnen.
SZ: Nadelstreifen flimmert doch.
Miosga: Stimmt. Die Kamera mochte es nicht so. Ein anderer Nadelstreifen ging besser.
SZ: Bisher stand den "Tagesthemen"-Moderatorinnen immer ein deutlich älterer Kollege zur Seite, anfänglich Hanns Joachim Friedrichs, danach Uli Wickert. Mit Buhrow bilden Sie das jüngste, man könnte meinen, das unerfahrenste Team.
Miosga: Das stimmt nicht. Tom Buhrow ist langjähriger Auslandskorrespondent und ein erstklassiger Journalist. Und ich moderiere nun auch nicht erst seit gestern. Wir sind ein gutes Team. Sie müssen sich um uns keine Sorgen machen.
SZ: So sieht Buhrow das auch?
Miosga: Wir haben uns in Hamburg getroffen und an die Elbe gesetzt. Es fing unglaublich an zu schütten, es blitzte und donnerte, und plötzlich hatten wir den gleichen Gedanken: Wenn jetzt der Blitz einschlägt, dann haben die "Tagesthemen" ein echtes Problem.
SZ: Konnten Sie schon Ihre Castingbänder sehen?
Miosga: Nein, Redaktionsgeheimnis.
SZ: Wissen Sie, warum Sie das Casting gewonnen haben?
Miosga: Es ist schwer, sich zu beurteilen.
SZ: Sie wurden ja beurteilt, von den ARD-Aktuell-Chefredakteuren Gniffke und Hinrichs.
Miosga: Pfffffff. Ich glaube, ich hab's ganz ordentlich hinbekommen. Ich habe 90 Minuten unter realen, etwas erschwerten Bedingungen eine Sendung mit einem Interview und den Moderationen präsentiert. Ich war nicht sonderlich aufgeregt, es war eine normale Situation.
SZ: Es muss doch einen Unterschied machen, ob Sie das Medienmagazin Zapp oder die politische Großwetterlage präsentieren?
Miosga: Klar. Die Tagesthemen sind eine Sendung, mit der ich groß geworden bin und immer noch das Flaggschiff des ARD-Nachrichtenjournalismus. Natürlich habe ich Respekt. Aber ich arbeite jetzt seit 15 Jahren als Journalistin. Und selbst wenn ich Ihnen die EU-Verfassung nicht auswendig referieren kann, ich weiß, wie man sie dem Zuschauer vermittelt und einordnet. Und darum geht es am Ende.
SZ: Jeder Tagesthemen-Moderator hatte seinen Stil. Welchen werden Sie prägen?
Miosga: Vielleicht ist es mein Stil, dass ich über meinen Stil nicht nachdenke. Die Inhalte bestimmen die Präsentation, danach richte ich mich. Ich kann auch nicht einfach etwas von Anne Will übernehmen, obwohl ich sehr schätze, wie sie ihre Interviews führt. Aber das würde nicht funktionieren. Der Zuschauer würde merken, dass da etwas nicht stimmt. Ich jedenfalls merke das bei anderen immer.
SZ: Wickert hat in der Abmoderation so Lebensweisheiten verteilt. Wer ist dafür künftig zuständig?
Miosga: Am Schluss der Sendung werde ich das Wetter anmoderieren und das Nachtmagazin ankündigen sowie die "Tagesthemen" am darauffolgenden Tag. Wenn sich dann noch eine schöne Überleitung anbietet, dann ist's gut. Wenn nicht, dann ist's auch gut.
SZ: Haben Sie den Eindruck, Sie sollten auf Ironie verzichten?
Miosga: Wenn es die Nachrichtenlage erlaubt, kann Ironie etwas sehr anschaulich machen.
SZ: Tom Buhrow verzichtete bislang auf Ironie.
Miosga: Stimmt nicht. Beispielsweise hat er letztens bei der Überleitung zum Wetter mit der Ankündigung von Sonnentagen wunderbar ironisch auf die Einordnung des Teils der Presse reagiert, die ihn als Moderator blass findet.
Lesen Sie im zweiten Teil, warum Caren Miosga auf die Moderatoren des "heute journals" neidisch ist.
SZ: Wie möchten Sie eingeordnet werden?
Miosga: Die Einordnungen werden zwangsläufig kommen. Das gehört dazu, das muss ich akzeptieren, und ich rechne auch mit nichts anderem. Ich lese die Kritiken auf jeden Fall und habe nicht vor, sie zu ignorieren, nur weil etwas Negatives darin stehen könnte.
SZ: Was ist so reizvoll daran, die Tagesthemen zu präsentieren?
Miosga: Die anspruchsvolle Arbeit. Ich habe mehr Aufgaben, aber auch mehr Spielraum als beispielsweise bei "Titel Thesen Temperamente". Ich kann während der Sendung Gespräche führen und auf Aktuelles Bezug nehmen, und die Tagesthemen sind eine analytische Sendung , die nicht nur bloß den Tag abbildet. Außerdem ist der Moderator fest in die Redaktion eingebunden, darauf wird Wert gelegt, und das ist auch mir sehr wichtig. Um 11.30 Uhr ist die erste Tageskonferenz, da bin ich schon dabei.
SZ: Werden Sie Einfluss auf die Themenauswahl und die Themensetzung haben? Friedrichs und Wickert hatten das ja wohl.
Miosga: Der Moderator hat insofern Einfluss, als dass er mitdiskutiert und so auch die Sendung mitgestaltet.
SZ: Unterscheiden Sie zwischen einer guten und einer schlechten Nachricht?
Miosga: Handwerklich?
SZ: Inhaltlich.
Miosga: Das wäre zynisch. Aber natürlich ist es so, dass Nachrichtensendungen heute in dieser unübersichtlichen Medienlandschaft das Problem haben, nur wahrgenommen zu werden, wenn irgendetwas Außergewöhnliches passiert, positiv oder negativ. Und dass Nachrichtenredakteure und -moderatoren sich freuen, wenn ihre Arbeit wahrgenommen wird, liegt in der Natur der Sache.
SZ: Sind Sie ein politischer Mensch?
Miosga: Ein politisch denkender, aber ohne Parteibuch.
SZ: Wollten Sie nie eine Unterhaltungssendung moderieren?
Miosga: Wollte ich nicht. Am Ende eines Tages im Fernsehen steht für mich Erkenntnisgewinn.
SZ: Bei Ihnen?
Miosga: Und beim Zuschauer - sofern wir einen guten Job machen.
SZ: Aber das Bildungsfernsehen gibt es doch nicht mehr.
Miosga: Wenn Sie mich fragen, ob ich politisch bin, dann ist Erkenntnisgewinn Ausdruck meiner politischen Einstellung.
SZ: Woher stammt eigentlich Ihr Name?
Miosga: Das ist der Name meines Vaters, und mein Vater stammt aus Oberschlesien. Bei Radio Eins vom RBB gibt es einen Forscher, der erklärt einem die Herkunft des eigenen Namens. Das hat meine Schwester mir mal geschenkt. Herausgekommen ist, dass es vor Urzeiten auch russische Vorfahren gegeben haben muss.
SZ: Daher das Interesse, Russisch zu studieren und als Reiseleiterin in Moskau zu arbeiten?
Miosga: Es hat sich so ergeben. An unserem Gymnasium hatten wir einen Russischlehrer. Ich mochte die Sprache, wir waren in Moskau.
SZ: Das wird den russischen Präsidenten Putin freuen, wenn Sie mit ihm russisch sprechen.
Miosga: Das lassen wir mal lieber. Putin versteht sicher besser Deutsch - und unsere Zuschauer allemal.
SZ: Ihre Vorgängerinnen verließen die Tagesthemen entweder als werdende Mutter oder als Gastgeberin einer politischen Talkshow. Was wäre Ihnen lieber?
Miosga: Woher soll ich das jetzt schon wissen?! Aber ich verspreche Ihnen: Die SZ erfährt es zuerst, wenn es soweit ist.
SZ: Okay.
Miosga: Das war's?
SZ: Welche Antwort geht Ihnen ab?
Miosga: Ich hatte damit gerechnet, Sie würden fragen, was die Kollegen vom heute journal besser machen als wir bei den Tagesthemen?
SZ: Was machen sie besser?
Miosga: Also, auf die Zusammenstellung der Moderationspaare beim heute journal bin ich wirklich neidisch: Claus Kleber und Gundula Gause. Die schönste Alliteration der Welt! Da wäre ich gerne Oscar Miosga.
Caren Miosga wird von 16. Juli an im Wechsel mit Tom Buhrow die Tagesthemen in der ARD moderieren. Die 38-jährige Journalistin präsentierte die Kultursendung "Titel Thesen Temperamente" im Ersten (seit Mai 2006), beim NDR Fernsehen führte sie durch das Kulturjournal und das Medienmagazin Zapp. Während ihres Studiums (Geschichte und Slawistik) arbeitete Miosga als Reiseleiterin in Russland, später berichtete sie für den Hörfunk aus Moskau, u.a. für Info-Radio Berlin. Bei den "Tagesthemen" folgt sie auf Anne Will, die von 16. September an die politische ARD-Talkshow am Sonntagabend leiten wird.
Obwohl die "Tagesthemen" Anfang 2006 auf 22.15 Uhr vorgezogen wurden, kämpft die Sendung mehr denn je um Zuschauer und Marktanteile (2006 durchschnittlich 10,6 Prozent, 2007 bisher 9,9 Prozent). Den früher beinahe einheitlichen Sendebeginn gibt es nicht mehr.