SZ-Serie: Wem gehört die Kunst?:Höchste Zeit

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Zwischenbilanz zur Restitutions-Forschung in bayerischen Museen und Archiven

Von Susanne Hermanski

Wer forscht, der findet. Meistens jedenfalls. Und deshalb konnte Kunst- und Wissenschaftsminister Bernd Sibler in dieser Woche auch eine umfängliche Bilanz des Forschungsverbundes Provenienz-Forschung Bayern (FPB) für 2019 vorlegen. Der zufolge gab es vergangenes Jahr zwölf Restitutionen von Gemälden, Zeichnungen, Büchern und Plastiken, 33 laufende Forschungsprojekte und 444 neue Eintragungen auf Lost-art.de zu Objekten aus bayerischen Museen und Bibliotheken, bei denen ein Verdacht auf Raubkunst besteht. Die Internetplattform Lostart.de nützen Anwälte, Erben, Kunsthändler und Kulturinstistutionen weltweit als zentrales Rechercheinstrument für Raubgut.

Gegründet hat sich der Forschungsverbund erst 2015. Also nach dem Fall Gurlitt und der darauf folgenden öffentlichen Diskussion über Raubkunst und politische Verantwortung, nicht etwa bereits 1999. Schon da hatten sich die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände infolge der Washingtoner Erklärung "zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes" verpflichtet. Doch gab es danach weder staatliches Geld noch Stellen für die spezielle Forschung oder proaktive Recherchen. Auch klare gesetzliche Regelungen für den Handel erfolgten nicht. Rückgaben fanden in der Regel nur dann statt, wenn Opferanwälte sie erstritten hatten.

Ging zurück an die Erben des Ehepaars Morgenstern: "Die Todesstunde" 1903 von Alfred Kubin. (Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus)

Zu den 19 beteiligten Institutionen des Forschungsverbundes gehören neben den Pinakotheken auch die Schlösser- und Seenverwaltung, die Staatsarchive, universitäre und außeruniversitäre Kunst- und Zeitgeschichte-Institute und als jüngstes Mitglied des FPB das Deutsche Museum. Die beiden neuen Vorsitzenden des Verbundes sind der Historiker Johannes Gramlich, der für die Pinakotheken arbeitet, und Stephan Kellner, der in der Staatsbibliothek das Referat Bavarica leitet. Viele Restitutionsfälle lassen sich erst durch den engen Austausch zwischen den Institutionen klären. Oft befinden sich Objekte aus dem Bestand eines Kunsthändlers oder eines Sammlers aus der NS-Zeit verteilt über verschiedene Museen oder Archive.

So auch im Fall der Sammlung von Julius Davidsohn und seiner Frau Simone. Sie ist in Teilen im Bayerischen Nationalmuseum und in den Pinakotheken zu finden. Laut des Tätigkeitsberichts des Forschungsverbundes für 2018 steht dieses Restitutionsvorhaben kurz vor dem Abschluss. Nach rund zwei Jahren der Recherche konnten die Erben von Gemälden, Grafiken und eines Elfenbeinreliefs der Sammlung Davidsohn gefunden werden. Das Ehepaar wurde 1938 von der Gestapo heimgesucht, ihre Kunstgegenstände wurden konfisziert. Julius Davidsohn starb 1942, seine Frau 1943 im Lager Theresienstadt.

Dieses Gemälde soll bald den Nachfahren von Julius und Simone Davidsohn zurückgegeben werden. Auf dem Eise, eine Kopie nach Albert Cuyp. (Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sibylle Forster)

Die Objekte aus ihrer Sammlung durchliefen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren verschiedene Stationen. Ein Teil ging von den "Central Collecting Points" in Wiesbaden und München an die Jewish Restitution Successor Organisation. Weil die Davidsohns keine Kinder hatten, und zunächst niemand einen Rückgabeantrag stellte, fielen sie in einen Bestand, der nach Wiedergutmachungszahlungen zurück an den Freistaat Bayern restituiert worden ist. Der verteilte sie auf seine Museen. Erst ermittelte man entferntere Verwandte. Die Familie lebt heute über mehrere Kontinente verteilt, in Simbabwe, Israel, den USA und Deutschland. Mit den um die 70 Familienmitgliedern wird derzeit noch über die Rückgabemodalitäten verhandelt.

Bereits zurückgegeben hat das Lenbachhaus am 15. Mai 16 Zeichnungen des österreichischen Künstlers Alfred Kubin. Proaktive Recherchen hatten ergeben, dass die Blätter ursprünglich aus der Wiener Kunstsammlung von Maximilian und Hertha Morgenstern stammten. Sie gelangten über den Hamburger Apotheker und Sammler Kurt Otte ins Lenbachhaus. Morgensterns verkauften sie an Otte, vermutlich um einer späteren "Beschlagnahme" dieser Objekte durch die Gestapo zu entgehen. Der Preis lag bei weniger als der Hälfte des damals taxierten Marktwertes. Dem Ehepaar Morgenstern gelang 1939 die Flucht nach Großbritannien. Das Lenbachhaus hat Ottes komplettes Kubin-Archiv von 1971 bis 1983 als wichtige Ergänzung zur Sammlung des "Blauen Reiter" direkt von Kurt Otte angekauft. Die Provenienz der Objekte galt zum damaligen Zeitpunkt als unbedenklich. Der Kauf erfolgte, wie die Juristen sagen, im guten Glauben.

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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